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Mit dieser Schutzuntergebenheit war innerlich und unlöslich verbunden das Privilegiertsein des Klerus. Daher der Übertritt aus dem Schutzrecht ins Bürgerrecht die Privilegierung aufhob; daher aber auch der Rat die Gewährung seines Schutzes nicht abhängig machen konnte vom Preisgeben des Privilegs, wie er 1317 und 1366 zu tun versuchte.

Daß die Kleriker sowohl Schutz als Privileg genossen, machte sie zu Einwohnern nicht geringern aber andern Rechtes. Folgende Vorrechte machten sie geltend:

1. das privilegium canonis, wonach Verletzung oder Tötung eines Klerikers mit Exkommunikation der Täter, später auch noch mit Interdizierung der ganzen Stadt geahndet wurde. Solches geschah z. B. 1321, als ein Chorherr von St. Leonhard verwundet, und 1456 als der Domkaplan Pantaleon, 1488 als ein Kaplan des Petersstifts erschlagen wurde. Anschaulich schildert Brilinger, wie sofort nach der Tat das Interdikt verkündet wird und während seiner Dauer kein Geläute stattfindet, die Kirchtüren geschlossen bleiben, kein Laie in eine Kirche gelassen wird.

2. das privilegium fori, das die ausschließliche Zuständigkeit der Kleriker in Zivil- und Kriminalsachen vor dem geistlichen Gericht aufstellte.

Wie wir sahen, bestanden mehrere solcher Gerichte (des Bischofs, des Domdekans, des Archidiakons, der römischen Konservatoren), die innerhalb der Stadt alle kompetent und tätig waren. Auf die Tatsächlichkeit dieses Zustandes und die dabei sich ergebenden Konflikte haben wir hier nicht einzugehen. Es handelte sich um Konkurrenz innerhalb einer gemeinsamen allgemeinen Befugnis. Von ganz andrer Wucht aber war der Kampf um die Befugnis selbst, den die Kirche mit der städtischen Behörde führen mußte.

Gegensätze zeigen sich uns schon nach der Mitte des XIV. Jahrhunderts. Der Rat beschwerte sich da über das Exekutionsverfahren der geistlichen Gerichte und über die Konservatorien; 1382 erlangte Kleinbasel durch seine Klagen beim päpstlichen Stuhl eine formelle Wiederholung des alten Verbotes, daß für Geldschulden kein Interdikt verhängt werden dürfe. Es waren die Jahrzehnte, die ein souveränes Stadtregiment schufen, und deutlich hören wir aus diesen Beschwerden, wie lästig und allenthalben hinderlich dem Rate dies geistliche Wesen auf dem Gebiete der Rechtsprechung war, auch damals schon, da er selbst noch ohne Gerichtsgewalt war und die Schultheißengerichtsbarkeit noch dem Bischof zustand. Dieselbe Gesinnung lebte hier, die 1336 den Rat von Colmar zur Verwahrung gegenüber dem Hofgerichte von Basel führte, 1361 die Städte Colmar Rufach Egisheim Sulz Heiligkreuz zu einer Liga wider die Übergriffe dieses Hofgerichtes

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 737. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/216&oldid=- (Version vom 4.8.2020)