Seite:Wackernagel Geschichte der Stadt Basel Band 2,2.pdf/233

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

gewaltige und reichgezierte Augenblicksdekorationen hinzu wie Katafalke bei Totenfeiern, Gerüste für das Ablaßgeschäft usw. Auf diese Weise füllen sich die Basler Kirchenräume mit einer Masse, die auch den mit verwöhnten Augen blickenden Gatari und Enea Silvio als Reichtum erscheinen konnte.

Den Reiz dieser Ausstattung bewirkten nicht allein die Pracht und die Menge, sondern vielfach auch die glücklichste Planlosigkeit. Sie war zum größten Teile das Werk spontaner Devotion. Ein successives Anhäufen Aufhängen Einmauern schuf aus diesen Dingen und Formen, die im Einzelnen schön oder von höchster Kostbarkeit oder rührend naiv waren, ein Ganzes von freier Anmut. Jede Gabe, so vereinzelt sie kam, hatte ihr eigenes Leben und ihr Recht. Der Arme, der sein Kerzchen oder seine Votivhand opferte, durfte sich als Freund und Helfer des Gotteshauses fühlen so gut wie der große Stifter, dessen Gabe als Goldgefäß auf dem Altar oder als bunter Damast am Rücken des Zelebranten funkelte. Was der feinste Geschmack ersonnen, stand hart neben dem, was nur gute Absicht zu Stande gebracht hatte.

All dies war geeint durch den Schein der vielen brennenden Lichter. Auf und vor den Altären, bei Tafelbildern oder Statuen, über Gräbern hingen die still leuchtenden Ampeln oder flackerten Kerzen in Kandelabern; oft dienten Engelgestalten, z. B. im Münster und in der Kleinbasler Nicolauskapelle, als Kerzenhalter. Es war ein beliebter Stiftergedanke, für die ewige Dauer solcher Lichter zu sorgen, dem Erhellen des Dunkels die Mystik der am lichten Tage lodernden Flammen beizugeben.

Neben und zwischen all diesen Gegenständen stand den die Kirche besuchenden Menschen der freie Raum einfach zur Verfügung. Eine Bestuhlung für Laien wurde von Seite der Kirche in der Regel nicht eingerichtet; sie überließ ihnen, selbst für sich zu sorgen. Auf diese Weise füllten sich dann die Langhäuser mit jenen geschlossenen, an Zellen oder Häuslein erinnernden Stühlen, von denen Enea Silvio verwundert redet. Dabei scheint allgemeiner Brauch gewesen zu sein, daß die Stühle als Eigentum ihrer Inhaber oder als Zubehör eines Hauses im Kirchspiel galten und ohne Zutun der kirchlichen Behörde verändert verkauft und vererbt wurden. Völlige Freiheit herrschte und wohl auch Unordnung. Die Stühle zu St. Peter waren „ungeschickt und seltzam“, der eine Stuhl hoch, der andere nieder, der eine alt, der andere neu. Ludwig Kilchman besaß in der Theodorskirche drei Männer- und zwei Weiberstühle, in den Kirchen von Klingental und St. Klara je einen Männer- und einen Weiberstuhl, und legierte diese Stühle sämtlich der von ihm gestifteten Herberge. Hans

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 754. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/233&oldid=- (Version vom 4.8.2020)