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Das Ganze war ein Komplex der mannigfaltigsten Verrichtungen, jedes Anniversar hatte wieder seine Eigenart, und bei jeder Pfarrei, jedem Stift und Kloster mehrten sich die Anniversarienstiftungen unaufhaltsam. Die Kirche konnte diesen Pflichten nur durch die größte Ordnung, die sorgfältigste Buchführung gerecht werden, und überaus eindrücklich ist das Bild dieses Betriebes, das uns ihre Jahrzeitbücher bieten. Tag um Tag ist Jahrzeit, ist ein Ereignis in der Kirche, ist eine von den Beteiligten geglaubte und heilig gehaltene Wirkung ihres Handelns. Überall ein Hantieren mit Bahrtüchern und Kerzen, ein Messelesen Beten Singen Besprengen Räuchern Läuten.

Daß den bei solchen Jahrzeitfeiern Tätigen ihre Gebühren zukamen, ist schon gesagt worden; aber die Stifter sicherten nicht selten die Abhaltung auch noch auf andere Weise: sie machten, namentlich in Klöstern, die Insassen selbst und überdies die Armen zu „Aufsehern, indem sie anordneten, daß am Festtage Jenen ein besseres Mahl gegeben, Diesen eine Spende gereicht werden mußte“. Alle größeren Jahrzeitstiftungen enthalten diese Besserungen des Klostertisches, die Zugaben von Fleisch und Wein. Und noch weiter geht die Sorgfalt dadurch, daß sie auch die Bewohner anderer Gotteshäuser ins Interesse zieht; der Stifter setzt über das Gotteshaus, das seine Jahrzeit feiern soll, eine Kontrolle, indem er es verpflichtet, am Tage der Jahrzeitfeier einem andern Gotteshaus oder mehreren Gotteshäusern einen Betrag zu entrichten; er bestimmt zuweilen auch, daß im Falle der Nichterfüllung der Stiftungsvorschriften das Stiftungsgeld an ein anderes Gotteshaus fallen soll.


Wirksame Ergänzung dieses Systems der guten Werke war die Ablaßinstitution. Die Kirche konnte Demjenigen, der in aufrichtiger Reue und Bußbereitschaft solche Werke tat, den Erlaß der Sündenstrafen verheißen, nicht nur der durch sie selbst verhängten, sondern auch der im Jenseits seiner wartenden. Neben die Tilgung der Sündenschuld und der ewigen Höllenstrafe durch Gott im Bußsakramente trat hier eine Ablösung der zeitlichen im Fegefeuer zu duldenden Strafe.

Diese Möglichkeit, bei der Vielen der Ablaß ohne Weiteres als Vergebung der Sünden galt, gab dem Gnadenmittel die gewaltige Bedeutung; es erfüllte das gesamte kirchliche Leben mit seinem Wesen. Daher die Ablaßdokumente so sehr in der Überlieferung vorherrschen. Die Kirche kam dem Verlangen aufs Bereitwilligste entgegen. Von Päpsten und Legaten, Bischöfen und Weihbischöfen gelangten unaufhörlich solche Ablaßurkunden nach Basel;

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 784. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/263&oldid=- (Version vom 4.8.2020)