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historischem Belange. In ihm lebt die Kraft eines mündig gewordenen, vorwärts drängenden Volkes, die auch in den politischen und sozialen Kämpfen der Zeit sich immer mächtiger ankündigt.

Inmitten dieser allgemeinen Bewegung beschäftigt uns hier das Vorhandensein der ungelehrten, aber mehr als nur elementar gebildeten Einwohner. Es ergibt sich dabei das für die geistige Verfassung der Stadt Wichtige, daß in diesen gebildeten Laien eine neue Schicht entsteht, die durch den geistigen Besitz von den Besitzlosen gesondert, aber mit den gleich Begüterten außerhalb Basels kosmopolitisch verbunden ist. Der gebildete Laie mag aber auch ein Halbgelehrter sein, und welche Bedeutung gerade ein Solcher in diesen Zeiten der Unzufriedenheit und der Umsturztendenzen haben kann, zeigt deutlich die in der nächsten Nähe Basels entstehende Reformschrift des sogenannten oberrheinischen Revolutionärs.

Lebendig dargestellt ist uns der Typus des höher gebildeten Laien, im Komplex einer auch sonst unser Interesse heischenden Persönlichkeit, durch Niklaus Meyer. Dieser hat in seiner Jugend tolle Streiche verübt, später fügt er sich in die Arbeit und den Ernst des Ratsschreiberamtes; er ist reich, er wohnt im vornehmen Quartier; Zeugnis des Luxus, mit dem er sich da umgibt, ist noch heute ein prachtvoller gewirkter Wandbehang. Vor Allem aber wird uns seine Bücherlust nahe gebracht durch schöne Exlibris und durch Stücke der Bibliothek selbst. Es scheint keine Sammlung von der umfassenden und wissenschaftlichen Art etwa der Bibliotheken Gossembrots in Augsburg oder Herman Schedels in Nürnberg gewesen zu sein; bei Meyer finden wir fast allein unterhaltende Literatur. Aber ein moderner, humanistisch gerichteter Sammler und Leser ist er jedenfalls; er besitzt die Historie des Königs Apollonius und Petrarcas Griseldis, beide in der deutschen Übersetzung des Heinrich Steinhöwel; des Enea Silvio Novelle von Euryalus und Lucrecia in der deutschen Übersetzung des Niklaus von Wil; Hans Erhart Tüschs burgundische Historie; 1471 fertigt er sich selbst eine kostbare, reich illustrierte Handschrift mit der Geschichte der schönen Melusine.

Wir vernehmen auch sonst von privaten Bibliotheken. Es geschieht dies viel häufiger als früher, und es zeigen sich uns dabei ein andrer Geschmack, eine andre Vorliebe. Wie im Gebiete der Kirche das Bibliothekswesen systematisch erneuert wird, so beginnt jetzt im Laienhause das Büchersammeln als standesgemäße Form der Beschäftigung mit geistigen Dingen zu gelten. Junker Franz von Leimen besitzt die Geschichte vom trojanischen Kriege; dasselbe Werk findet sich neben den Gesta Romanorum bei Gerhard Mecking. Cäcilia von Eptingen hat das Buch Belial und allerhand gedruckte Lieder,

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 914. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/393&oldid=- (Version vom 4.8.2020)