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mit offizieller Autorität für das ganze Dasein des Gemeinwesens und des Einzelnen. Wir glauben wahrzunehmen, daß die Laienbildung individueller und auch exklusiver wird, daß sie Spezialitäten, persönliche und kritische Richtungen hat.

Es gehört jedenfalls zum guten Ton, bei der Universität der Vaterstadt immatrikuliert zu sein. Man wird deswegen nicht Kleriker, hat auch sonst keine Verpflichtung zur Gelehrsamkeit. Aber man ist gerne Student und erwirbt sich Kenntnisse, die in jedem Berufe zu Statten kommen können. So sehen wir die jungen Waltenheim Spitz Rieher Sürlin VonBrunn Bär usw. auf den akademischen Bänken sitzen. Lauter Söhne der bekannten guten und mächtigen Häuser. „Der wachsende Reichtum des Lebens verlangt auch eine strengere Sorge für die Bildung“. Zum äußern Behagen tritt eine feinere Kultur, die den spezifischen Charakter dieser Kreise tragen mag. Heinrich Zeigler, dessen wichtige Regierungs- und Diplomatentätigkeit ohne gute Bildung, speziell ohne Kenntnis des Italiänischen, aber auch des Lateinischen nicht denkbar ist, hat schon vor Bestehen der Universität die Vorlesungen Peters von Andlau besucht; jetzt 1483 sind seine Söhne immatrikuliert. Balthasar Irmi erwirbt sich den Magistertitel, wird aber Kaufmann und treibt großindustrielle Verlegerei. Wie viel auch muß vorausgehen, damit ein Oberstzunftmeister, Lienhard Grieb, im Jahre 1512, in einem großen und glänzenden Momente, zur Improvisation einer lateinischen Ansprache an den Papst in Rom Namens gesamter Eidgenossenschaft fähig ist. Dieser Grieb, der sich einen akademischen Grad erworben hat, ist zugleich einer der führenden Staatsmänner Basels; die Relationen, die er von seinen Gesandtschaften nach Hause schickt, zeichnen sich schon durch die Handschrift aus, eine ganz individuelle und jedem Kanzleischema ferne Gelehrtenschrift.

Aber diese ausgezeichneteren Erscheinungen sind in einem allgemeinen Zusammenhange zu würdigen. Um die einzelnen, höhere Bildung sich verschaffenden Laien her gelangt eine weite Bevölkerung zu Kenntnissen elementarer Art. Der Bürger muß immer mehr über Kenntnisse gebieten, wenn er im Verkehr und in seinem Gewerbe bestehen will. Daher die starke Vermehrung der Privatschulen. Auch schafft der Buchdruck neben wissenschaftlichen Publikationen eine populäre Literatur sowohl erbaulicher als unterhaltender und unterweisender Art, welche starke Verbreitung findet, und parallel hiemit geht auch eine überaus mannigfaltige Illustration, die in Büchern Bilderbogen Flugblättern unter die Masse kommt; in ihr findet das auf Kunst oder auch nur auf bildliche Anschauung gerichtete allgemeine Verlangen seine Befriedigung. Der gesamte Vorgang ist von höchstem

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 913. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/392&oldid=- (Version vom 4.8.2020)