Seite:Wackernagel Geschichte der Stadt Basel Band 2,2.pdf/398

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Auf solchen Wegen bilden sich neue Staatsgedanken, kommt es zu einer Ausgestaltung des Regimentes. Zum Erlangen der Selbständigkeit tritt der Erwerb von Territorien so gut wie von Gescheiden und Meieramt, tritt die Ausbildung des Stadtrechtes, die Organisation des Stadtgerichtes, die Schaffung einer städtischen Appellationsinstanz. In diesem Allem lebt derselbe Geist eines Stadtwesens, das sich als Persönlichkeit fühlt und als solche auch gelten will. Das große Antwerpner Privileg von 1488 mit seiner Anerkennung von Steuerrecht und Gesetzgebungsrecht des Rates gibt das Wesentliche in aller Kürze. Wir sehen ein straffes Zusammenfassen der öffentlichen Gewalt; bis in alle Möglichkeiten hinein wird es praktisch wirksam, und gelegentlich, in den Akten des Kampfes mit den Bischöfen, findet es auch eine theoretische Begründung.

Der Begriff der öffentlichen Institution, der Beamtung hat sich der frühern Auffassung von nutzbaren, dem Vorteile des Inhabers gewidmeten Rechten gegenüber durchaus gewandelt; in entsprechender Weise ist die Haltung der Behörden überhaupt eine andere; ein fester geordnetes Verwaltungswesen mit Scheidung der Kompetenzen, Abstufung der Ämter nach Wichtigkeit und Ansehen, Sonderung von Behörden und Beamten usw. wird geschaffen.

Am erkennbarsten wird uns dies bei der Kanzlei. Bestand und Name ihrer verschiedenen Beamtungen sind konsolidiert. Die Reihe der in diesen Jahren neu angelegten Ratsbücher (Spruchbuch 1462, Stadtfriedensbuch 1480, Erkantnisbuch 1482, Bürgerrechtsgebührenbuch 1486 usw.) zeigt das Wachsen von Präzision in der Geschäftsverteilung und Protokollierung. Das Archiv wird in gründliche Pflege genommen. Mit der allgemeinen Entwickelung des schriftlichen Ausdruckes hält der Kanzleistil Schritt. Nicht nur die zunehmende Lust an breiterer Form ist zeitgemäß, sondern auch das Finden neuer Worte, die logische Schärfung der Sprache, ja sogar eine offizielle Wohlgezogenheit und Würde, die das Vulgäre zu vermeiden sucht. Aber auch das Humanistenlatein dringt in das offizielle Schriftwesen ein, und neben der neuen Sprache meldet sich auch schon eine höhere Bildung. 1439 ruft der Ratsbuchchronist dem Zeugnis des „weisen Meisters Cato“, und wie Johann Gerster einem Freund in der kaiserlichen Kanzlei schreibt, zitiert er den Cicero und nennt sich selbst den Pylades des Adressaten.

Es ist begreiflich, daß wir jetzt auch von einer städtischen Bibliothek vernehmen. 1458 unterhielt man sich im Rathause von einigen „alten Chroniken dieser Stadt“ und wünschte sie zu haben; den Ort der einen sollte Herr Kaplan Schlatter wissen, die andre sollte in einem Frauenkloster

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 919. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/398&oldid=- (Version vom 4.8.2020)