Seite:Wackernagel Geschichte der Stadt Basel Band 2,2.pdf/397

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

wortseligen Weitschweifigkeit ist der ganze Bericht völlig eingeschränkt auf die Geschichte des Klosters, ohne jede Beachtung von Ereignissen der Außenwelt und ohne irgend etwas Selbstbiographisches. Aber solchergestalt umgrenzt, dazu ausgezeichnet durch Einheitlichkeit des Stiles, gibt er ein unvergleichliches Bild von klösterlicher Existenz.

Das Ganze dieser Geschichtschreibung ist in Tendenz und Ausführung unverkennbar etwas Neues. Freilich mit starken Beschränkungen. Nehmen wir den einen Offenburg, zum Teil auch Knebel aus, so erscheinen diese Basler Chronisten, so sehr sie die alten Annalisten übertreffen mögen, in ihrer Gesamtheit noch recht befangen. Die Eigenart des Ortes, die Keinen frei gibt, bezwingt auch den Autor. Nüchtern und reserviert schreiben diese Chronisten im Vergleiche mit denen anderer Städte. Ihre Auffassung vom Wissenswerten in der Geschichte ist enge. Was interessiert sie? Kaum Einer erwähnt die Gründung der Universität, Keiner redet von Gelehrten, von merkantilen Verhältnissen, von den Anfängen des Buchdrucks. So wenig sind diese Bürger und Kapläne zu einer Repräsentanz ihrer Zeit berufen.


Endlich aber offenbaren sich Art und Kraft der Epoche auch in den öffentlichen Zuständen. Der neue Geist schafft ein neues Regierungsgefühl, eine neue Anschauung bei der Administration der städtischen Dinge.

In der Zeit, da überall in den Territorien sich die Souveränitäten gestalten, kleinere Herrschaften in größeren aufgehen, Erbgesetze und Verträge für Unteilbarkeit der Lande sorgen, tut auch unsere Stadt einen Schritt vorwärts.

Basels Politik hat jetzt einen neuen Ton. Der große Kampf der 1440er Jahre, die zahllosen Fehden, die gewaltigen Burgunderkriege erziehen das Selbstgefühl des Gemeinwesens; in den Anstrengungen, mit denen Rat und Bürgerschaft sich der Bischöfe, der Tiersteiner, der Solothurner und Anderer zu erwehren haben, wächst der Begriff „städtisch“ zu etwas Eigenem. Er macht sich auch gegenüber der Kirche geltend. Und hiezu tritt nun die umfassende Einwirkung der überall und auf jedem Gebiete des Lebens tätigen frischen Gedanken und Kräfte. Was der Einzelne bei seinem Gewerbe, in seinem Verkehre, auf seinen Reisen an solcher Neuheit erfährt oder erlebt oder lernt, kann er hier in die Behandlung der öffentlichen Dinge mitbringen. Wie der Einzelne aber wird auch die Behörde dazu geführt, ihrer selbst bewußt zu werden, sich auf ihr Wesen zu besinnen; auffallend ist, wie jetzt wiederholt Reflexionen des Rates über seine Pflicht und Aufgabe in ganz offizieller Weise laut werden.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 918. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/397&oldid=- (Version vom 4.8.2020)