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Hiezu gesellen sich nun, als charakteristische Äußerungen dieser spätern Zeit, die Verfügungen, in denen Gesellschaft und Behörde für gewöhnliche Schicklichkeit, für Behagen Ruhe Sicherheit, für Schonung eines verfeinerten Gefühles oder empfindlicher gewordener Nerven besorgt sind.

Solcher Art ist die Schärfung der Feuerpolizei; 1463 wird den Hafnern und Zieglern, 1466 den Glockengießern verboten, in ihren Häusern zu werken; sie sollen damit in die Vorstädte gehen. 1486 werden auch die Bäcker, 1487 die Lebkücher dort hinaus gewiesen. Die alte dürftige Sodbrunneneinrichtung Kleinbasels wird ersetzt durch das Hereinleiten von Quellwasser. Den Hausbesitzern wird 1466 eine allsamstägliche Straßenreinigung befohlen, den Bäckern 1476 das Halten von Zuchtschweinen in ihren Häusern verboten. Der Verkauf finnigen Fleisches scheint schon beizeiten, vielleicht unter der Wirkung des Konzils, abgekommen zu sein. Die Kuttler dürfen ihren Wust nicht mehr am Tage sieden, sondern nur Nachts, „damit der Gestank den Leuten minder Drang tue“; kein Keßler darf in der Stadt sein Handwerk mehr treiben, außer wenn er mit der Werkstatt sieben Schuhe tief im Boden sitzt, auch sollen nicht mehr als zwei Keßler in derselben Gasse sein.

In solcher Weise gestaltet sich die Öffentlichkeit nach neuen Bedürfnissen und Meinungen, nach neuem Geschmacke. Und in bedeutsamer Weise sehen wir zur gleichen Zeit auch in die Begriffe Bürgerschaft und Einwohnerschaft ein verändertes Leben eindringen. Die Stadt strebt nach einer großen Zahl von Insassen; aber mehr als dies: sie wünscht ein Wesen zu sein, in dem nur ein einziger Wille gilt und ein einziges, möglichst vollkommenes Recht. Daher die Erlasse der 1440er, dann wieder der 1480er Jahre, die auf eine Stärkung der Bürgerschaft zielen; aber es ist im Interesse der Stadt nicht nur, Bürger zu gewinnen, sondern auch, durch deren Bürgerrecht die Rechte bisheriger Herren von Hintersassen aus der Stadt zu drängen. Es ist ein Weiterbilden über frühere Zustände hinaus, denen die Rechte des freien Zuges und der Besetzung genügen mochten. Bei den Beratungen hierüber findet das neue Staatsbewußtsein seinen vielleicht frühesten offiziellen Ausdruck in den Worten des Rates, daß nur Eines jetzt noch gelte: der gemeine Nutz, der nach geschriebenen Rechten und göttlicher Ordnung höher zu setzen sei als irgend ein ander Ding.


In enger Berührung mit diesem Probleme der Stadtbewohnerschaft steht das Reisläufertum und dessen Behandlung durch den Rat.

Unruhe Kampflust „abenteuerndes Wanderblut“ trieben von jeher die Jugend hinaus. Die Stadt kümmerte sich lange nicht darum, und deswegen

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 936. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/415&oldid=- (Version vom 4.8.2020)