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hergebrachten Schulbetriebes überdrüssig, der Tradition absagend, suchte sie auch in den Studien das Vernünftige und das Tatsächliche. Sie wollte kritisch und mit geschichtlichem Sinne denken. Sie verlangte nach der Fülle des Lebens, nach dem Menschlichen, nach neuen Quellen des Lernens und des geistigen Genusses, nach einer gereinigten Sprache, einer klareren Lehre, einer Humanitas außerhalb der Kirche. Und nun stiegen vor ihr das Altertum empor und das neue Italien, in ihrer Schönheit Selbstbewußtheit Herrscherkraft Lebensfreude die von ihr ersehnten Formen und Ziele des Daseins offenbarend.

Die Anfänge dieses Wesens in Basel sind uns nicht bekannt. Sie verlieren und verhüllen sich in tiefen persönlichen Erlebnissen. Neben einem dauernden geschlossenen Einwirken können einzelne, wenn auch rasch vorübergehende, doch starke Anregungen stehen. Jedenfalls ist bei der Art der Sache über Vermuten nicht hinauszukommen. So dürfen wir an den Besuch Petrarcas in Basel 1356 erinnern, aber auch an Einflüsse von dem damals durch den großen Italiäner besuchten Hofe Karls IV. in Prag, sowie vom Papsthof in Avignon her denken. Starke Impulse der verschiedensten Art brachte hier am Orte selbst, jahrelang konzentriert, glänzend und überwältigend, das Konzil. Nebenher ging ohne Aufhören, einer Generation um die andere zugute kommend, der Besuch auswärtiger Universitäten, vor allem der berühmten Hochschulen in Italien, der nutrix omnium scienciarum. In allen diesen Beziehungen erstand das Mannigfaltigste, kam es zu einem Aufmerken und Lernen neuer Art, zu eigenem Entdecken und Erleben, waltete die Macht und Erziehung des Verkehrs mit Zeitgenossen.

In solcher Weise wurde Basel eine Stätte des Humanismus; seit der Mitte des XV. Jahrhunderts wird er hier erkennbar.

Schon rein äußerlich, in der Schrift. Die Humanisten, nach dem Primitiven und dem Schönen strebend, griffen wieder zur Minuskel des frühen Mittelalters und bildeten jene reinen lichten Züge aus, die mitten in dem krausen Buchstabenwesen der Zeit das Auge erquicken. Es ist die durch Traversari empfohlene puritas et suavitas. Heynlin z. B. gebrauchte eine solche Zierschrift neben seiner flüchtigen Cursive, und auch in den Akten des Rates erscheinen hie und da diese anmutigen südlichen Schriftzüge.

In ähnlicher Weise offenbart das Humanistenlatein den Willen, über das Ererbte hinweg wieder zu den Anfängen zu gelangen. Seit Jahrhunderten die Unterrichts-, Geschäfts- und Gerichtssprache des Klerus und in diesem Dienst entartet, soll das Latein jetzt seine Jugend und Reinheit wiederfinden. Mit voller Absicht, mit einer zuweilen bis zur gewöhnlichen

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Zweiten Bandes zweiter Teil. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1916, Seite 591. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_2,2.pdf/70&oldid=- (Version vom 4.8.2020)