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Abstand dieses Basler Humanismus von demjenigen einzelner Italiäner oder Mutians. Sie wollen Jünger der Wissenschaften und Christi zugleich sein, literarum Christique cultores. In ihnen leben eruditio und doctrina, recta studia und vera peitas als Einheit; ihre Bildung ist vor Allem dazu bestimmt, der wahren Religion zu dienen.

Mit diesem Gesinntsein stehen die Humanisten in der Gemeinschaft einer Kirche, die auch als ihr Ziel den Dienst Christi verkündet, aber dabei der schärfsten Kritik derselben Humanisten sich aussetzt. Erbittert redet Rhenan vom Aberglauben, von den possenartigen Kultusgebräuchen, von den erdichteten Wundern, von der heidnischen und jüdischen Lehre dieser Kirche. Mit Widerwillen und beißendem Hohne verurteilt sie Erasmus. Ein verunreinigtes Christentum sehen die Humanisten vor sich.

Die Gemeinschaft der Kirche wird deswegen durch sie nicht preisgegeben, auch der Zwang der Kirche nicht durchbrochen. Zu tief wurzelt auch der Humanist noch in der Tradition. Freiheit von Autorität proklamiert er; aber vor dem ehrwürdigen und geheimnisvollen Ganzen der Kirche verzichtet er auf dieses Befreitseinwollen, begnügt und beruhigt er sich mit persönlichen Vorbehalten.

Im Übrigen allerdings wahrt auch der Angesichts der Macht und Ordnung der Kirche so läßliche Humanismus seine Rechte.

Zunächst durch die Forderung, daß die Theologie ihren Schwesterwissenschaften folge und, „zur Nützlichkeit der Erudition die Pracht der Eloquenz gesellend“, literarischen Wert erlange. Auch über göttliche Dinge dürfe nicht barbarisch, ohne Stil und Schmuck, geredet werden.

Mächtiger ist das Verlangen nach einer religiösen Erneuerung. Der Humanismus erstrebt auch hier die Reinheit der Anfänge. An den evangelischen Quellen sollen wir trinken, die wir bisher nur aus Pfützen geschöpft haben. Ohne Kenntnis der Sprachen sei auch die Erkenntnis des wahren Christus nicht möglich. So setzt Bruno Amerbach an die Edition des Hieronymus seine beste Kraft, damit die alte ächte Theologie wieder auflebe. Ähnlich denken und reden Capito Rhenan Glarean. Erasmus vollends sieht seinen Beruf darin, der Religion Christi und der wahren Theologie zum Siege zu verhelfen.

Sie Alle fühlen sich in der Arbeit für eine Renaissance des Christentums. Und Einzelnen kommen dabei auch Gedanken an die Antike, deren tiefstes geistiges Leben der Humanist selbst erst erschlossen zu haben glaubt, ein Leben, das nun nach Auseinandersetzung mit der herkömmlichen kirchlichen Bildungswelt verlangt. Die Beziehung liegt nahe, daß die purissima

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 246. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/267&oldid=- (Version vom 1.8.2018)