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am frühesten in der Schweiz. Zum Verdrusse der Altgläubigen. Der Karthäuser Chronist nannte diesen Gesang einen „Bauernlärm“, Bonifaz Amerbach ein „Heulen“, Glarean ein „läppisches Geplapper“. Es waren deutsche Gesänge, die nach Psalmen gedichtet worden. Aber die Bedeutung des Neuen lag darin, daß an Stelle des alten künstlerischen Gesanges, der eine Gabe der Kirche an die Gemeinde gewesen war, jetzt die Gemeinde selbst den Mund auftat und im Gesang ihre freie Teilnahme am Gottesdienst erwies.

Ein deutscher vereinfachter Taufritus wird erwähnt, den Ökolampad seit dem Herbste 1525 zur Anwendung brachte; desgleichen ein neuer Ritus der Eheeinsegnung; ebenso zu dieser Zeit ein neuer Ritus der Abendmahlsfeier, wobei auch die Haus- und Krankenkommunion vorgesehen wurde. Alle diese wichtigen Ordnungen fanden sich vereinigt in der Agende, die vielleicht schon 1525, sicher 1526 gedruckt wurde. Einen Katechismus, „Frag und Antwort in Verhörung der Kinder“, verfaßte Ökolampad im Jahre 1526. Zu beachten ist auch, daß in der Passionswoche 1527, während überall nach altem Brauche die Glocken schwiegen, die Evangelischen in ihren Kirchen durch Geläute zur Predigt rufen ließen.

Es war lauter Anordnung für einen neuen Gemeindegottesdienst, ein neues Kultusleben, durch denselben Geist der freien Überzeugung geschaffen, der das Dasein der heranwachsenden Kirchgemeinschaft überhaupt bestimmte. Ohne daß dabei wesentlich neue liturgische Gedanken hervortraten; der evangelische Gottesdienst ruhte in seiner Ordnung auf der Tradition. Aber diese Basler Liturgie, als deren Schöpfer wir Ökolampad zu betrachten haben, wurde rasch das Vorbild für die meisten evangelischen Gottesdienstordnungen Süddeutschlands; sie kam zur Herrschaft in Mümpelgart und in Mülhausen, im Kraichgau bei Heilbronn, in den Städten Konstanz Lindau Memmingen Ulm Isny Biberach Eßlingen Augsburg Frankfurt.

Neben der Kultusordnung ist hier zu erwähnen, was über das Kircheninnere hinausging und die Stellung der neuen kirchlichen Gemeinschaft überhaupt kennzeichnete: der Eheschluß der Predikanten. Ihre Mehrzahl hatte diesen Schritt getan; ihrem Beispiele folgend machte jetzt auch Ökolampad seine Leutpriesterei zu einem Pfarrhause moderner Art. Im März 1528 vermählte er sich mit Wibrandis Rosenblatt aus Säckingen, Tochter des kaiserlichen Feldobersten Johann Rosenblatt, Witwe des Magisters Ludwig Keller.

Jeder dieser Vorgänge hatte seine Wichtigkeit. Größer war, was durch ihre Gesamtheit zum Ausdrucke kam: die Tatsache, daß die evangelische Partei jetzt ein geläutertes Programm, ein klareres Ziel hatte. Manche

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Rudolf Wackernagel: Geschichte der Stadt Basel. Dritter Band. Helbing & Lichtenhahn, Basel 1924, Seite 475. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wackernagel_Geschichte_der_Stadt_Basel_Band_3.pdf/496&oldid=- (Version vom 1.8.2018)