Durch diese bis ins kleinste ausgearbeiteten Baubestimmungen und das rege Interesse der Fürsten am Ausbau ihrer Residenzstadt, den sie durch allerlei Privilegien stets zu fördern suchten, blühte die Stadt Dresden rasch empor und spielte lange Zeit auf dem Gebiete der bürgerlichen Baukunst eine führende Rolle. Wie sehr die Regierung sich dieser Aufgabe annahm, beweisen die vom Kurfürst Friedrich August I. erlassenen Bestimmungen über den Ausbau der Königstraße, auf die wir später noch eingehend zu sprechen kommen. Die Stadt erhielt in jenen Zeiten das durchaus vornehme und künstlerische Gepräge, das sie bis in das neunzehnte Jahrhundert hinein behalten hat. König August der Starke hatte mit seinen prächtigen und weiträumig angelegten Schloßbauten, vor allen Dingen dem durch Pöppelmann geschaffenen Zwinger, und durch seine glänzende Hofhaltung die Augen aller Welt auf Dresden gelenkt. Sein Beispiel wurde vom Adel nachgeahmt, die Grafen Wackerbarth, Flemming und Hoym bauten sich in der Stadt große Paläste, deren Schauseiten und Räumlichkeiten noch heute beachtenswert sind. Auch das bürgerliche Wohnhaus nahm um diese Zeit reichere Formen an. Die gesteigerten Bedürfnisse bedingten eine größere Ausdehnung. Räume für Festlichkeiten durften in einem vornehmen Patrizierhause nicht mehr fehlen. Der Sitte der damaligen Zeit entsprechend, die in der Anhäufung und Ausstellung von allerlei Kostbarkeiten großen Gefallen fand, mußten eine Prunkstube und mehrere Kabinette für Miniaturgemälde und kostbare Raritäten vorhanden sein. In der Prunkstube wurden das Porzellan und die köstlichen Gefäße aufgestellt, und der Besuch empfangen. Der ausgedehnte Haushalt verlangte auch eine größere Dienerschaft, die in zahlreichen Nebenräumen unterzubringen war. Es entstanden damals die Alkoven, Nischen und geheimen Kabinette, die der Architekt vorteilhaft in den unregelmäßigen Überbleibseln bei der Aufteilung seines Grundrisses anordnete.
Grundriß und Schauseite waren beim Barockwohnhaus streng symmetrisch ausgebildet. Wir finden fast immer eine durchgängige Achsenteilung, die sich auch bei den Innenräumen in der Anordnung der Türen und Kamine ausspricht. Den Mittelpunkt des Wohngebäudes nimmt ein geräumiger Hof ein, der mit einem schönen Wandbrunnen geschmückt ist. Das charakteristische Merkmal des ganzen Hauses war die vornehme Einheitlichkeit, die sich
Walter Mackowsky: Erhaltenswerte bürgerliche Baudenkmäler in Dresden. Verlag von C. Heinrich in Dresden-N., Dresden 1913, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Walter_Mackowsky_Baudenkm%C3%A4ler.djvu/26&oldid=- (Version vom 12.11.2024)