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Erhaltenswerte bürgerliche Baudenkmäler in Dresden

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Textdaten
Autor: Walter Mackowsky
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Titel: Erhaltenswerte bürgerliche Baudenkmäler in Dresden
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Erscheinungsdatum: 1913
Verlag: Verlag von C. Heinrich in Dresden-N.
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Erscheinungsort: Dresden
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[Einband] [-] [-] [-]

[I]
W. Mackowsky


Erhaltenswerte bürgerliche
Baudenkmäler in Dresden


Festschrift,

der II. Gemeinsamen Tagung für

Denkmalpflege und Heimatschutz Dresden 1913

dargeboten vom Verein

für Geschichte Dresdens



Zugleich

Jahresgabe des Vereins für Geschichte Dresdens

für seine Mitglieder



Verlag von C. Heinrich in Dresden-N.

1913

[II]
20 Lichtdrucktafeln mit Text.
Die Grundrisse im Text sind mit Genehmigung der Königl. Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmäler dem sächsischen Inventarisationswerk entnommen.

[III]

Inhaltsverzeichnis.

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Seite
Einführung 1
Die Entwicklung der bürgerlichen Baukunst in Dresden 10
Die Rathäuser der Alt- und Neustadt 17
Wohnhäuser aus der Zeit der Gotik und Früh-Renaissance 23
Das Barockwohnhaus 32
Die Bautätigkeit in der Neustadt nach dem großen Brande im Jahre 1685 46
Das bürgerliche Wohnhaus unter dem Einflusse der Palastbauten 53
Das bürgerliche Landhaus 65
Ludwig Richters Geburtshaus 68
Schlußbetrachtung 71

[-] [V]

Verzeichnis der Tafeln.

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Text Seite
Tafel I.      Das Rathaus der Altstadt 19
Tael II.      Das Rathaus der Neustadt 21
Tael III.      Das gotische Haus, Wilsdruffer Straße 2 26
Tael IV.      Häuser Neumarkt 12 und Frauenstraße 14, Erker aus der Zeit der Früh-Renaissance 28 und 44
Tael V.      Haus Schloßstraße 30 mit dem Fürstenerker 27
Tael VI.      Das Schönrock’sche Haus, Wilsdruffer Straße 14 30
Tael VII.      Barockhäuser Große Brüdergasse 31 und 33 33
Tael VIII.      Hofbrunnen im Dinglingerhause, Frauenstraße 9 34
Tael IX.      Haus am Jüdenhof 5 38
Tael X.      Barockhäuser an der Frauenkirche 16 und 17 38
Tael XI.      Blick in die Rampischestraße 40
Tael XII.      Barockhaus an der Kreuzkirche 2 41
Tael XIII.      Barockhäuser am Eingange zur Großen Meißner Straße 49
Tael XIV.      Häuser Königstraße 1 und 3 50
Tael XV.      Hofbrunnen im Gräflich Hoym’schen Palais, Harmoniegebäude, Landhausstraße 11 58
Tael XVI.      Hôtel de Saxe, Moritzstraße 1 b 61
Tael XVII.      British Hôtel, Landhausstraße 6 61
Tael XVIII.      Haus am Neumarkt 10, Stadt Rom 63
Tael XIX.      Landhaus Antons an der Elbe 67
Tael XX.      Ludwig Richters Geburtshaus, Gartenhaus Friedrichstraße 44 69

[-] [VII]

Literatur und Quellen.

[Bearbeiten]
Die Bauten, technischen und industriellen Anlagen von Dresden. Dresden, 1878.
Behrendt, Walter Curt, Die einheitliche Blockfront als Raumelement im Stadtbau. Berlin, 1911.
Beutel, Georg, Bildnisse hervorragender Dresdner. Dresden, 1908.
Bredt, F. W., Die Heimatschutzgesetzgebung der deutschen Bundesstaaten. Düsseldorf, 1912.
Breuer, Robert, Der Städtebau als architektonisches Problem. Kunstgewerbeblatt. Neue Folge. XII. Jahrgang, Heft 11. Leipzig, 1911.
Bruck, Robert, Dresdens alte Rathäuser. Dresden, 1910.
Dietrich, Walther, Beiträge zur Entwicklung des bürgerlichen Wohnhauses in Sachsen im 17. und 18. Jahrhundert. Leipzig, 1903.
Doenges, Willy, Dresden. Band 14 der Stätten der Kultur. Leipzig, 1909.
Ermisch, Hubert, Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. Sächsische Volkskunde. Dresden, 1901.
Gurlitt, Cornelius, Geschichte des Barockstiles, des Rococo und des Klassicismus. Stuttgart, 1888.
Gurlitt, Cornelius, Kunstdenkmäler der Stadt Dresden. 21., 22. und 23. Heft der Beschreibenden Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. Dresden, 1903.
Gurlitt, Cornelius, Dresden. XXIII. und XXIV. Band der Einzeldarstellungen „Die Kultur“. Berlin, 1907.
Hasche, Johann Christian, Umständliche Beschreibung Dresdens. Leipzig, 1781.
Hettner, Hermann, Der Zwinger in Dresden. Leipzig, 1874.
Heyer, Karl, Denkmalpflege und Heimatschutz im Deutschen Recht. Berlin, 1912.
Holey, Karl, Ein Denkmalschutzgesetz für Österreich. Wien und Leipzig, 1911.
Klemm, Gustav, Chronik der Königlich Sächsischen Residenzstadt Dresden. Dresden, 1837.
[VIII]
Lindau, M. B., Geschichte der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Dresden. Dresden, 1885.
Marperger, P. J., Historie und Leben der berühmtesten Europäischen Baumeister. Hamburg, 1711.
Muthesius, Hermann, Stilarchitektur und Baukunst. Mülheim an der Ruhr, 1903.
Ostendorf, Friedrich, Theorie des architektonischen Entwerfens. Berlin, 1913.
Richter, Otto, Verfassungsgeschichte der Stadt Dresden. Dresden, 1885.
Richter, Otto, Abriß der geschichtlichen Ortskunde von Dresden. Dresden, 1898.
Schumann, Paul, Barock und Rococo. Leipzig, 1885.
Schumann, Paul, Führer durch die Architektur Dresdens. Dresden, 1900.
Stiehl, O., Das deutsche Rathaus im Mittelalter. Leipzig, 1905.
Weck, Anton, Der Chur-Fürstlichen Sächsischen weitberuffenen Residentz- und Haupt-Vestung Dresden Beschreib: und Vorstellung. Nürnberg, 1680.
Weinart, B. G., Topographische Geschichte der Stadt Dresden. Dresden, 1777.
Widemann, Emil, Alt-Dresden und dessen Brand im Jahre 1685. Mitteilungen des Vereins für Geschichte Dresdens, IV. Heft. Dresden, 1883.

[1]

Einführung.

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Les longs souvenirs font les grands peuples“, diese vom Grafen Montalembert, einem Vorkämpfer der Denkmalpflege, in seiner Schrift „Du vandalisme en France“ etwa vor hundert Jahren ausgesprochenen Worte sind noch heute im vollsten Maße beherzigenswert. An der Spitze einer begeisterten Schar von Schriftstellern und Staatsmännern leitete der bedeutende Politiker und Führer der französischen Romantik, Graf Charles de Montalembert, damals in Frankreich eine Bewegung ein, die sich mit dem Schutze und der Erhaltung mittelalterlicher Denkmäler als ehrwürdiger Zeugen vergangener großer Zeiten befassen sollte.

Wenn auch dieses Interesse für die Vergangenheit zunächst nur literarische und schöngeistige Kreise beschäftigte, so drang doch eine durch die Romantik erwachte Vorliebe für ältere Stilarten, namentlich die Gotik, sehr bald auch in die breitesten Schichten der Bevölkerung ein. In vielen Ländern flammte zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts eine von patriotischen Gefühlen getragene Begeisterung auf, ein Sich-Besinnen auf die einstige Größe des Vaterlandes, deren Überlieferung in den mittelalterlichen Baudenkmälern man mit Liebe und Verehrung betrachtete. Goethe hatte schon im Jahre 1772 im Anblick des Straßburger Münsters in seiner Schrift „Über altdeutsche Baukunst“ Erwin von Steinbach gefeiert und die Gotik als nationale Kunst gepriesen. Viktor Hugo schildert etwa fünfzig Jahre später in dem berühmten Roman „Notre Dame de Paris“ den Zauber dieser gotischen Kathedrale, und Schriftsteller der Romantik, wie [2] Walter Scott und Ludwig Tieck, widmen in ihren Erzählungen den Baudenkmälern früherer Zeiten oft seitenlange Betrachtungen.

In der Wiederherstellung und dem Ausbau mittelalterlicher Kirchen fand diese Art Denkmalpflege ihren sichtbaren Ausdruck. Sie verdichtete sich in Deutschland zu einer Aufgabe, gleichbedeutend vom patriotischen wie vom baukünstlerischen Standpunkte, der Vollendung des Kölner Domes. Ganz Deutschland sah mit größter Spannung der Wiederaufrichtung dieses glänzenden gotischen Baudenkmales entgegen, das als Symbol deutscher Einheit und Größe gefeiert wurde. Seine Baumeister waren in der Folgezeit tonangebend. Aus der Kölner Dombauhütte ging eine neugotische Schule hervor, deren Hauptvertreter Friedrich von Schmidt, der Erbauer des Wiener Rathauses, war. Fortan wurden in allen Ländern die größten Anstrengungen gemacht, die Gotik zu einer modernen Bedürfnissen entsprechenden Baukunst wiederaufleben zu lassen. Sie feierte in einer Reihe bedeutender Monumentalbauten große Triumphe, namentlich in England, wo die Architekten Barry und Pugin das neue Parlamentsgebäude ganz im gotischen Stile erbauten.

Aber bei aller Achtung vor solchen idealen Bestrebungen kann doch diese Art Denkmalpflege durchaus nicht vorbildlich genannt werden. Sie war mehr von wissenschaftlicher Gründlichkeit diktiert, als vom künstlerischen Geiste beseelt. Weitschweifige wissenschaftliche Abhandlungen, wie der berühmte „Dictionnaire raisonné d’architecture“ des kunstgelehrten Architekten Viollet-le-Duc sind das charakteristische Merkmal jener Zeit. Wie die gesamte Kunst war auch die Denkmalpflege des neunzehnten Jahrhunderts mehr historisch als künstlerisch. Der ethische Wert solcher Aufgaben wurde nicht im rechten Maße erkannt und gewürdigt. Man war noch nicht zu der Überzeugung gekommen, daß ein Nachschaffen im Geiste anderer Zeiten unmöglich ist, sondern glaubte es vielmehr besser zu verstehen als die einstigen Schöpfer der Denkmäler. So verfiel man in schwere Irrtümer. Im blinden Eifer ergänzte, überarbeitete und bemalte man die alten Bauten, die als Heiligtümer der Vergangenheit unangetastet bleiben sollten. So manche Restauration gereichte deshalb nur zum Schaden des Bauwerkes und wäre besser ganz unterblieben.

[3] Neben dieser romantischen Strömung mit ihren gotischen Kunstidealen, die besonders in der Denkmalpflege zum Ausdruck kam, setzte in der Architektur eine klassizistische Bewegung ein, die sich ganz auf den Boden der Antike stellte und auf die gotische Baukunst mit Verachtung blickte. Sie wandte sich vom Klassizismus sehr bald der freieren italienischen Renaissance zu, die besonders von Semper in Süddeutschland vertreten wurde. Aber auch diese Stilrichtung gewährte keine dauernde Befriedigung. Man ging zur deutschen Renaissance über und gefiel sich am Ausgange des neunzehnten Jahrhunderts nach und nach in einer Wiederholung aller Stilarten, vom Barock bis zum Biedermeiertum. Über solchen Stiltreibereien wurde die eigentliche Zweckbestimmung des Bauwerkes ganz vernachlässigt; die Architektur entfernte sich mehr und mehr von den Bedürfnissen des täglichen Lebens und erstarrte in einem Formalismus, der alle lebendigen Keime der Kunst ersticken mußte.

Die auf diese Weise eintretende Verwirrung machte sich besonders in den gebildeten und bürgerlichen Kreisen sehr bald fühlbar. Kunst und Handwerk gerieten hier allmählich in einen Tiefstand, wie er schlimmer nicht gedacht werden konnte. Die Veränderungen im gesellschaftlichen Leben nach dem Ausgange der Revolution durch das Aufblühen neuer Stände waren auch für die Entwicklung der Kunst von einschneidender Bedeutung gewesen. Die sich jetzt aus anderen Elementen zusammensetzende bürgerliche Gesellschaft bewies in der Kunstbetätigung noch nicht den sicheren, im Laufe der Jahrhunderte geläuterten Geschmack, sie zeigte sich vielmehr in künstlerischen Dingen vollkommen urteilslos und unerfahren. Mit wenig Ausnahmen suchte der wohlhabende Bürger durch seine Kunst nur äußerlich zu wirken, er pflegte sie mehr seiner Umgebung zuliebe als ihres inneren Wertes wegen. Das kam in seiner Kleidung, seinem Schmuck, seinen Möbeln und Zimmern, besonders aber an seinem Hause zum Ausdruck. In dem Bestreben, sich nach außen ein möglichst hohes Ansehen zu schaffen, umgab sich der Bürgerstand mit den ihm überlieferten Resten einer längst verblichenen aristokratischen Kultur. Vergoldete Möbel mit Zierformen aus Schlössern der Barock- und Rokokozeit schmückten die viel zu prunkvoll ausgestatteten Räume bürgerlicher Wohnungen, zu denen breite Marmortreppen hinaufführten. Das Haus selbst hatte mehr das Aussehen eines [4] italienischen Palazzo als das eines bescheidenen Wohnhauses, überall machte sich ein überladenes Protzentum breit an Stelle gediegener Einfachheit, die vordem der Stolz dieses Standes gewesen war.

Diese Scheinkultur wurde noch schlimmer, als man mit dem Aufschwunge der Technik gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts damit begann, alle diese Dinge aus unechten Stoffen herzustellen, um sie auch den weniger bemittelten Kreisen zugängig zu machen. Die im Laufe der Zeiten bewährten Bausteine und Hölzer wurden jetzt durch minderwertige Nachahmungen verdrängt, die billigere Maschinenarbeit untergrub den Wert handwerklicher Leistungen, und mit wenig Geschmack hergestellte Fabrikware, deren Haltbarkeit von begrenzter Dauer war, überschwemmte Stadt und Land. So kam der gute Geschmack immer mehr abhanden, und das vom Bürgerstande gegebene schlechte Beispiel fand sehr bald auch bei den niederen Ständen Nachahmung und vergiftete das bis dahin gesunde Empfinden des Volkes.

Die uns von den Vätern überlieferte Kunst, die sich früher auch des kleinsten Gegenstandes liebevoll angenommen und ihm einen gewissen schönheitlichen Reiz verliehen hatte, war mit einem Male aus dem täglichen Leben geschwunden. Sie wurde als eine kostspielige und unpraktische Beigabe angesehen und war fortan nur für Liebhaber und Idealisten vorhanden. Die Kunst war jetzt nicht mehr dort zu finden, wo ihre eigentliche Wohnstätte sein sollte, in der Werkstatt und am häuslichen Herde, sie war heimatlos geworden. Die Öffentlichkeit mußte sich ihrer annehmen und sie in Vereinen und Museen pflegen. Wenn wir uns heute an prächtigen Möbeln, schönem Hausgerät und malerischen Trachten erfreuen wollen, suchen wir in bürgerlichen und Volkskreisen oft vergeblich danach, es ist alles in das Museum gekommen, wo man die Kunst in allen möglichen Erscheinungsformen sorgfältig gesammelt, aufgestapelt und eingeordnet hat.

So war es mit dem bürgerlichen Hause und der bürgerlichen Kunst im neunzehnten Jahrhundert schlecht bestellt. Gewichtige Stimmen wurden laut, die zur Umkehr vom falschen Wege aufforderten und eine Reaktion in gesündere Bahnen einleiteten. Diese Bewegung ging von England aus, wo John Ruskin in seinen bekannten Schriften für [5] eine Wiedererweckung nationaler Kunst eintrat, und William Morris eine Erneuerung des Handwerks und Gewerbes anstrebte, deren Endziel die Verbesserung der Ausstattung des englischen Hauses war.

Die erste Weltausstellung in London, im Jahre 1851, hatte gezeigt, daß das Handwerk und Gewerbe alle Fühlung mit der Kunst verloren hatten und zu mechanischen Leistungen herabgesunken waren. Der Grund hierfür war, wie bereits Gottfried Semper in seiner anläßlich der Londoner Weltausstellung erschienenen Schrift „Wissenschaft, Industrie und Kunst“ nachgewiesen hat, in dem Aufkommen des Industrialismus mit seinen Folgeerscheinungen, dem Überhandnehmen des Kapitalismus und der Maschinenarbeit zu suchen. Deutlich erkannte Semper schon damals den weiteren Verfall der Kunst, den er mit folgenden Worten schildert: „Der Gang, den unsere Industrie und mit ihr die gesamte Kunst unaufhaltsam verfolgt, ist deutlich: Alles ist auf den Markt berechnet und zugeschnitten. Eine Marktware muß nun aber möglichst allgemeine Anwendung gestatten und darf keine anderen Beziehungen ausdrücken, als solche, die der Zweck und der Stoff des Gegenstandes gestattet. Der Ort ist nicht gegeben, für welchen er bestimmt ist, so wenig wie die Eigenschaften der Person bekannt sind, deren Eigentum er sein wird. Charakteristik und lokale Färbung darf er also nicht besitzen, aber er muß die Eigenschaft haben, sich jeder Umgebung harmonisch anschließen zu können.“

Gegen diese Mißstände suchte man auf verschiedene Weise in England anzukämpfen. Die Gründung des Londoner South Kensington-Museums und einer Reihe von Fachschulen waren die ersten Schritte zur Besserung. Man nannte diese Lehrstätten Kunstgewerbeschulen, um den früher selbstverständlich gewesenen Zusammenhang des Gewerbes und Handwerks mit den Künsten stärker zu betonen. William Morris stand an der Spitze einer Bewegung, die eine Verbesserung des Geschmackes in künstlerischen Dingen durch Entfernung alles Überflüssigen und stärkere Betonung der Sachlichkeit anstrebte. Indem er an die Gotik anknüpfte, aber dabei doch den modernen Anforderungen der Zweckmäßigkeit und Gediegenheit gerecht wurde, schuf Morris ein Mobiliar, das den Übergang zur Einrichtung des englischen Bürgerhauses von heute bildete.

[6] Auch auf dem Gebiete der Denkmalpflege machten sich um diese Zeit neue Anschauungen geltend. In dem im Jahre 1849 erschienenen Werke „The seven lamps of architecture“ behandelt Ruskin im Kapitel „The lamp of memory“ eingehend Zweck und Ziele eines modernen Denkmalschutzes. Nicht die Wiederherstellung, sondern die weitgehendste Erhaltung sei hier das oberste Gesetz, das er in folgende Worte kleidet: „Do not let us talk then of restoration. The thing is a Lie from beginning to end. You may make a model of a building as you may of a corpse, and your model may have the shell of the old walls within it as your cast might havet he skeleton, with what advantage I neither see nor care: but the old building is destroyed, and that more totally and mercilessly than if it had sunk into a heap of dust, or melted into a mass of clay.“ Mit größter Sorgfalt sollten die Denkmäler vor dem Verfall bewahrt bleiben, damit noch manche Generation unter ihren Schatten entstehen und vergehen möge!

Seine eindringlichen Worte fanden auch außerhalb Englands Beherzigung. Namentlich in Deutschland, Frankreich und Österreich wird seit Jahrzehnten eine nach solchen Gesichtspunkten geleitete Denkmalpflege geübt. Die alljährlich in Deutschland veranstalteten Tagungen für Denkmalpflege, deren erste im Jahre 1900 in Dresden stattfand, haben in sorgfältigster und vorbildlicher Art und Weise in allen Gebieten des Landes Aufnahmen vorhandener Denkmäler und Schutzmaßregeln für ihre Erhaltung eingeleitet. Dem tatkräftigen Einschreiten hervorragender Männer der Wissenschaft und Kunst, wie Cornelius Gurlitt, Georg Gottfried Dehio, Adolf von Oechelhaeuser, Paul Clemen und anderen, ist es zu danken, daß so manches deutsche Bauwerk heute noch in alter Schönheit erstrahlt und vor kleinlichen Wiederherstellungsversuchen verschont blieb.

Auch im deutschen Kunstgewerbe und Handwerk trat eine Wendung zum Besseren ein. Die von Hermann Muthesius, dem feinsinnigen Kenner der englischen Vorgänge auf diesen Gebieten, allenthalben in Deutschland angestrebte Erziehung des Volkes zum Verständnis für die Qualität hat zur Förderung größerer Zweckmäßigkeit und Gediegenheit in allen Dingen geführt und den Kampf gegen die Schundware eingeleitet. Es sind überall ausgezeichnete Kunst- und Fachschulen entstanden, in denen [7] tüchtige Handwerker und Gewerken ausgebildet werden. Der neugebildete „Deutsche Werkbund“, eine Vereinigung von Künstlern und Gewerbetreibenden, hat sich die Förderung guter Arbeit als Ziel gesetzt: „Der Künstler gebe sich nur mit dem Besten zufrieden und strebe nach jener inneren Vollkommenheit, die von Virtuosität ebensoweit entfernt ist, wie von geschäftlicher Routine. Der Hersteller verabscheue es, eine Arbeit zu liefern, die nicht das technisch Beste darstellt, das die Verhältnisse zulassen. Als Käufer und Besteller aber muß es unbedingt Aufgabe eines Jeden sein, die Qualitätsforderung in allererster Linie selbst zu stellen.“

Diese Forderung nach einer gewissen Echtheit sowie erhöhter Gediegenheit und Zweckmäßigkeit hat sich aber nicht nur auf die Dinge unserer nächsten Umgebung, den Hausrat, die Kleidung und die Wohnungsausstattung zu erstrecken, sie soll noch weitergreifen und sich in erster Linie mit dem beschäftigen, was ein wichtiger Gradmesser unserer Kultur ist, mit unserem Wohnhause. Wenn wir heute die charakteristischen Merkmale des deutschen Bürgerhauses der letzten Jahrzehnte nennen sollen, kommen wir in arge Verlegenheit. In dem architektonischen Formalismus, der sich während der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts auch des deutschen Hauses bemächtigt hatte, haben wir das Gefühl für das Natürliche und Zweckmäßige im Hausbau verloren; wir wohnen in Mietskasernen, deren Äußeres und Inneres uns nichtssagend und charakterlos entgegenstarrt. Eine neue, Besserung versprechende Kunst dämmert herauf, wird aber von sehr wenigen erkannt und gefördert.

Die Bewegung im deutschen Kunstgewerbe ist nicht bei den Kleinkünsten stehen geblieben, sie hat, wie in England, auf die Bildung des Raumes den größten Einfluß gehabt und ist damit auch für die Gestaltung des ganzen Hauses von Bedeutung geworden. Von ihr wird eine Wiedererweckung der bürgerlichen Baukunst zu erwarten sein. Denn wer sich nicht in seiner Häuslichkeit mit künstlerischen Dingen umgibt, wird auch gleichgültig gegen die äußere Architektur des Hauses bleiben. Beides ist untrennbar miteinander verbunden und wird stets in wechselseitige Beziehung treten.

Es ist nötig, daß wir in unserer bürgerlichen Baukunst wieder zur Einfachheit früherer Zeiten zurückkehren und unsere Architektur von dem ihr anhaftenden Formalismus [8] reinigen. Wie im Innern des Hauses, so muß auch im Äußeren Zweckmäßigkeit und Sachlichkeit vorherrschen. Den Schmuck des Hauses sollen die Gediegenheit der Ausführung und die Güte der Baustoffe, nicht aber das Ornament oder architektonischer Formenkram bilden. In bürgerlichen Häusern früherer Zeiten und ländlichen Gebäuden finden wir die besten Beispiele für eine solche Architektur, die uns leider im letzten Jahrhundert verloren gegangen ist. Nicht in der italienischen Renaissance oder in nordischer Gotik sollen wir die Vorbilder für das deutsche Haus suchen, sondern in der schlichten und bodenständigen Bauweise unserer Väter aus der Zeit, als die Hausbaukunst noch vom Maurermeister und Handwerker ausgeübt wurde.

Den letzten Aufschwung nahm unsere bürgerliche Kunst in den Jahren nach 1813 im Biedermeiertum. Auf die höfische Kunst des Barock und Rokoko und die Anlehnung an das Altertum im Klassizismus folgte eine mit großer Kraft sich durchsetzende volkstümliche Kunst, die in der Malerei und Plastik, vor allem aber im bürgerlichen Wohnhause, seiner Innenausstattung, dem Hausgerät und der Kleidung zum Ausdruck kam. Diese Kunst war trotz ihrer Anklänge an die Antike durchaus heimatlich, da sie aus innerer Notwendigkeit entstand, getragen von einer nationalen Begeisterung durch die Erhebung des deutschen Volkes aus tiefer Erniedrigung. Die erst neuerdings zur hundertjährigen Wiederkehr der Befreiungskriege veranstalteten Jahrhundert-Ausstellungen haben gezeigt, wie harmonisch sich jene Kunst über alles, auch die alltäglichsten Dinge erstreckte, wie sie alles durchdrang und zu gemeinsamer echt deutscher Wirkung verband. Wir bewundern ebenso die kunstvoll gezimmerten Möbelstücke wie die zierlich gearbeiteten Schmucksachen und Schatullen und die weich geschwungenen Kragen und Spitzen der Kleider und entzücken uns an der Traulichkeit der Räume und dem stimmungsvollen Äußeren des Hauses. In allem drückte sich ein feiner Geschmack und eine hohe Kultur aus.

Bei der Betrachtung solcher Dinge erkennen wir, wieviel uns heute noch zu einer wahren Kunst fehlt, wie groß die Kluft ist, die uns heute von einer künstlerisch so hochstehenden Zeit trennt. Tief muß es bedauert werden, daß man sehr oft die letzten Reste dieser verfeinerten Kultur zerstörte, daß nur wenig Städte pietätvoll das vor dem [9] Untergange bewahrt haben, was ihre eigentliche Bedeutung ausmacht. Denn was die Neuzeit hinzufügte, ist mit wenig Ausnahmen unkünstlerisch und kulturlos. Nur einige Bauten tragen den Stempel echter Kunst, die meisten sind charakterlose und nichtssagende Spekulationsunternehmungen.

Um so mehr haben wir die Pflicht, die uns aus alten Zeiten überlieferten Bauwerke zu erhalten und vor Verunglimpfungen zu schützen. Sie sind nicht nur für den Charakter des Stadtbildes und die Schönheit der Stadt von Bedeutung, sie können uns auch ein Vorbild für die Erneuerung und Gesundung unserer bürgerlichen Bauweise sein. An ihnen sollen wir alle heute noch lernen, nicht indem wir sklavisch die äußeren Formen solcher Bauwerke wiederholen, sondern durch ein liebevolles Vertiefen in ihre Einzelheiten, durch ein Sich-Versenken in den inneren Zweck und die hierfür gefundene Ausdrucksform. Mit doppelter Freude werden wir dann die schönen alten Bauten unserer Heimatstadt betrachten, wir werden sie mit Stolz zu den unsrigen zählen, und es wird nicht erst der Gesetze bedürfen, um sie vor dem Untergange zu bewahren.

[10]

Die Entwicklung der bürgerlichen Baukunst in Dresden.

[Bearbeiten]

Dresden ist eine Stadt von hervorragender künstlerischer Bedeutung. Begünstigt durch eine herrliche Lage, zu beiden Seiten des Elbstromes, und eine gleichmäßige architektonische Entwicklung, außerdem als Residenz lange Zeit der Mittelpunkt des höfischen und geistigen Lebens in der sächsischen Geschichte, ist er im Laufe der Jahrhunderte zu einer Kunststadt ersten Ranges herangereift, der man in Deutschland nur wenige andere an die Seite stellen kann. Dieser Aufschwung hat auch einen großen Einfluß auf die Hebung des gesamten wirtschaftlichen Lebens gehabt. Die Zunahme der Bevölkerung und der gesteigerte Fremdenverkehr haben vor allen Dingen eine starke Entwicklung des geschäftlichen Lebens hervorgerufen.

Um so bedauerlicher ist es, daß in Verkennung dieser Tatsachen gerade der Geschäftsgeist auf die altberühmten Schönheiten der Stadt oft wenig Rücksicht genommen hat. Es ist zum Teil gegen geschichtlich und künstlerisch wertvolle Bauwerke Dresdens mit großer Rücksichtslosigkeit vorgegangen worden, und manches Baudenkmal ist einem Neubau von oft recht zweifelhafter Bedeutung zum Opfer gefallen. In zahlreiche schöne alte Gebäude wurden moderne Läden eingebaut, und so bisweilen Reste einer Jahrhunderte alten Kultur zerstört. Außerdem hat an vielen Stellen eine über das erforderliche Maß hinausgehende und das künstlerische Städtebild empfindlich störende Reklame Platz gegriffen.

[11] Gewiß sind die Forderungen des Geschäftsverkehrs nach neuzeitlichen und zweckmäßig ausgestatteten Läden und einer wirkungsvollen Reklame durchaus berechtigt und anzuerkennen, aber es ist auch in diesen Dingen eine gewisse Grenze einzuhalten, die Auswüchse vermeidet und, indem sie die Geschäftsinhaber vor Übertreibungen und Überbietungen durch Reklame der Konkurrenz schützt, dem Geschäftsleben nur nützlich sein kann. Es ist sonach für erforderlich gehalten worden, durch ein zu erlassendes Ortsgesetz einen Schutz des der Allgemeinheit gehörigen künstlerischen Stadtbildes herbeizuführen und bauliche Veränderungen an hervorragenden Stellen der Stadt sowie Reklamen nach künstlerischen Grundsätzen zu regeln. Diese gesetzlichen Forderungen sollen durchaus nicht als Zwang empfunden werden, sie haben vielmehr die Aufgabe, erzieherisch zu wirken, um im Laufe der Zeiten auch in der Allgemeinheit ein gewisses Taktgefühl in solchen Dingen zu befestigen. Das Gesetz wird auf diese Weise in letzter Hinsicht den Zweck haben, sich selbst entbehrlich zu machen und kann gewissermaßen als Übergangsstufe zu einem höheren Bildungsgrade der Allgemeinheit angesehen werden.

Dresden sollte mit um so größerer Sorgfalt auf die Erhaltung des Rufes als altberühmte Kunststätte und schöne Stadt besorgt sein, da es seit Jahrhunderten in seiner Anlage, seinem Ausbau und seiner städtischen Verwaltung vorbildlich ist. Eine vorzüglich entwickelte Baugesetzgebung, deren Anfänge bis in das vierzehnte Jahrhundert reichen, hat die Architektur der Stadt auf eine große Höhe gebracht und die bürgerliche Baukunst in seltenem Maße gefördert. Nach den großen Feuersbrünsten, die Dresden mehrere Male heimsuchten und ganze Stadtviertel zerstörten, sind jedesmal neue Baubestimmungen erlassen worden, nicht nur im Interesse einer größeren Feuersicherheit, sondern auch zur Erzielung eines schönen Stadtbildes.

Die erste derartige Verordnung wurde nach dem Brande am 15. Juni 1491, der einen ungeheuren Schaden in der Altstadt anrichtete, erlassen. Sie bestimmte, daß die Eckhäuser durchgängig, die übrigen Häuser an den Straßen ein Geschoß hoch von Stein erbaut werden sollten. In späteren Jahren wurde diese Bauordnung dahingehend erweitert, daß alle Gebäude mit Ziegeln eingedeckt werden sollten. Die nach einem sehr regelmäßigen Plane, vermutlich unter dem Markgrafen Dietrich im Anfange des [12] dreizehnten Jahrhunderts angelegte Stadt, zeigte sehr schmale und nach der Tiefe entwickelte Baustellen. Die Häuser standen mit ihren Firsten senkrecht zur Straße, die Schauseite war deshalb in frühester Zeit immer als Giebel ausgebildet. Man baute außer dem Erdgeschoß nur zwei, selten drei Geschosse. Die schmale Front nötigte schon beizeiten zu einem Hintergebäude, das mit dem Vorderhaus durch einige Räume verbunden war. Eine vorgelegte Holzgalerie sorgte für eine unmittelbare Verbindung zwischen Vorder- und Hinterhaus, es entstanden die malerischen Innenhöfe, die in einigen Häusern noch heute erhalten sind. Da die Befestigung die Stadt sehr einengte, mußte sehr bald eine dichtere Bebauung eintreten; man wohnte also schon frühzeitig zu mehreren Parteien in einem Hause, was sich aus den selbständig ausgebildeten und vom Treppenhause abgeschlossenen Wohnungen der einzelnen Geschosse schließen läßt.

Kurfürst Johann Georg II. ließ um die sechziger Jahre des siebzehnten Jahrhunderts die vorerwähnte Bauordnung in einigen Punkten, namentlich hinsichtlich der Aufführung von gemeinsamen Brandmauern, Quer- und Scheidewänden erweitern. Es wurden damals zuerst Fenster in den Brandmauern verboten, ebenso durfte die Traufe nicht mehr nach der nachbarlichen Grenze abgeleitet werden. Vermutlich entstanden also um diese Zeit die ersten Häuser mit parallel zur Straße gerichteten Firsten, was auch die Ausgestaltung der Schauseiten beeinflußte. Die Baupolizei ging nun mehr und mehr in die Gewalt der Regierung über, die besonders bemüht war, die feuergefährlichen Fachwerksbauten auszumerzen, aber auch das künstlerische Moment weiter in den Vordergrund schob.

Die Befürchtungen des Kurfürsten und der Regierung wegen der Feuersgefahr waren leider nur allzusehr gerechtfertigt. Eine furchtbare Feuersbrunst zerstörte am 6. August 1685 von 390 Wohnhäusern der Neustadt 331 und stellte damit die Stadt vor die Aufgabe, den ganzen Teil rechts der Elbe neu aufzubauen. Nach den Plänen des Artillerie-Obersten Kaspar von Klengel entstand denn auch bald darauf eine viel schönere Anlage, deren Mittelpunkt die heute noch prächtige Hauptstraße bildete. Durch Steuerbefreiungen, Baubegnadigungen und Überlassung von Barmitteln wurde die Bautätigkeit von der Regierung wesentlich gefördert, was zu einem schnellen Wiederaufbau und somit in nicht geringem Maße zur Erreichung eines einheitlichen Stadtbildes beitrug.

[13] Die nächsten Jahrzehnte bringen unter dem Grafen Flemming, als Gouverneur der Festung Dresden, nur einige weitere Bestimmungen im Interesse der Feuersicherheit und zum Schutze der Nachbarn. Die Zulassung von Erkern, die meist aus Holz hergestellt wurden, wird besonders geregelt. Erst unter dem Grafen Wackerbarth, dem Nachfolger Flemmings, treten wieder bedeutende Veränderungen ein. Das im Jahre 1718 eingerichtete Oberbauamt hatte ein neues Baureglement für die Stadt Dresden ausgearbeitet. Es enthielt 45 Paragraphen und war außer für Neu- und Altdresden auch für die Vorstädte und Neu-Ostra gültig. In dieser neuen Bauordnung wird auf die Ausbildung der Schauseiten das größte Gewicht gelegt, wie die folgenden Bestimmungen zeigen. Bei der Darstellung des Aufrisses sind die angrenzenden Gebäude mit anzudeuten. An den breiteren Straßen, wie der Pirnaischen, Schieß- und Kreuzgasse, der Moritzstraße und dem Altmarkt, soll bei Erbauung der Häuser möglichst auf Symmetrie geachtet werden. Die Farbe des Putzes war ebenfalls genau vorgeschrieben.

Durch die neu angeordnete Einschränkung der Dächer entwickelt sich jetzt das Mansardedach. In der Stadt waren damals außer dem Erdgeschoß drei, in den Vorstädten nur zwei Geschosse zulässig. In den Vorstädten waren die Dachstuben verboten, weshalb sich hier noch lange Zeit das Satteldach erhielt.

Ein weiteres Baureglement wurde im Jahre 1736 unter Friedrich August II. für die Vorstädte Dresdens aufgestellt. Hierin werden zum ersten Male bestimmte Haushöhen vorgeschrieben, und zwar an freien Plätzen und breiten Straßen 28 Ellen 2 Zoll (15,91 m), an mittelbreiten Straßen 26 Ellen 10 Zoll (14,96 m) und an den schmalen Gassen nur 23 Ellen 11 Zoll (13,29 m) bis zum Dachfirst. Die Stockwerke sollten „proportionierlich“ eingeteilt, und Höhenunterschiede möglichst in den unteren Geschossen ausgeglichen werden. Auch die Firsten waren in gleicher Höhe zu halten, wobei der Ausgleich verschieden tiefer Dächer auf der Rückseite der Gebäude stattfinden konnte. Die Schauseiten sollten gleich durchgängig symmetrisch durchgebildet sein, Erker durften nicht angeordnet werden. Beide Bauregulative, vom Jahre 1720 und vom Jahre 1736, blieben bis zum Jahre 1827 in Kraft. An ihre Stelle trat darauf die Allgemeine Bauordnung der Residenzstadt Dresden.

[14] Durch diese bis ins kleinste ausgearbeiteten Baubestimmungen und das rege Interesse der Fürsten am Ausbau ihrer Residenzstadt, den sie durch allerlei Privilegien stets zu fördern suchten, blühte die Stadt Dresden rasch empor und spielte lange Zeit auf dem Gebiete der bürgerlichen Baukunst eine führende Rolle. Wie sehr die Regierung sich dieser Aufgabe annahm, beweisen die vom Kurfürst Friedrich August I. erlassenen Bestimmungen über den Ausbau der Königstraße, auf die wir später noch eingehend zu sprechen kommen. Die Stadt erhielt in jenen Zeiten das durchaus vornehme und künstlerische Gepräge, das sie bis in das neunzehnte Jahrhundert hinein behalten hat. König August der Starke hatte mit seinen prächtigen und weiträumig angelegten Schloßbauten, vor allen Dingen dem durch Pöppelmann geschaffenen Zwinger, und durch seine glänzende Hofhaltung die Augen aller Welt auf Dresden gelenkt. Sein Beispiel wurde vom Adel nachgeahmt, die Grafen Wackerbarth, Flemming und Hoym bauten sich in der Stadt große Paläste, deren Schauseiten und Räumlichkeiten noch heute beachtenswert sind. Auch das bürgerliche Wohnhaus nahm um diese Zeit reichere Formen an. Die gesteigerten Bedürfnisse bedingten eine größere Ausdehnung. Räume für Festlichkeiten durften in einem vornehmen Patrizierhause nicht mehr fehlen. Der Sitte der damaligen Zeit entsprechend, die in der Anhäufung und Ausstellung von allerlei Kostbarkeiten großen Gefallen fand, mußten eine Prunkstube und mehrere Kabinette für Miniaturgemälde und kostbare Raritäten vorhanden sein. In der Prunkstube wurden das Porzellan und die köstlichen Gefäße aufgestellt, und der Besuch empfangen. Der ausgedehnte Haushalt verlangte auch eine größere Dienerschaft, die in zahlreichen Nebenräumen unterzubringen war. Es entstanden damals die Alkoven, Nischen und geheimen Kabinette, die der Architekt vorteilhaft in den unregelmäßigen Überbleibseln bei der Aufteilung seines Grundrisses anordnete.

Grundriß und Schauseite waren beim Barockwohnhaus streng symmetrisch ausgebildet. Wir finden fast immer eine durchgängige Achsenteilung, die sich auch bei den Innenräumen in der Anordnung der Türen und Kamine ausspricht. Den Mittelpunkt des Wohngebäudes nimmt ein geräumiger Hof ein, der mit einem schönen Wandbrunnen geschmückt ist. Das charakteristische Merkmal des ganzen Hauses war die vornehme Einheitlichkeit, die sich [15] in dem sicheren Abwägen der einzelnen Schauseitenteile und dem liebevollen Durchbilden der sparsam verteilten Schmuckmotive zu erkennen gab. Der gute Geschmack und die feine Bildung der Bewohner, die man noch heute in der sächsischen Höflichkeit nachrühmt, kamen ebenso wie im gesellschaftlichen Leben im Hause selbst zum Ausdruck.

Dresden hat durch seine vielen Barockbauten ein eigenartiges Stadtbild bekommen, das an vielen Stellen noch bis heute unversehrt geblieben ist. Besonders schön sind die Wohnhäuser in der Schloßstraße, der Großen Brüdergasse, der Rampischen Straße, an der Frauenkirche, am Jüdenhof und in der Großen Meißner Straße in der Neustadt. Einige von ihnen wurden von Pöppelmann erbaut. Daneben schufen Georg Hase und Johann Gottfried Fehre mehrere beachtenswerte Wohngebäude, wie wir später sehen werden.

In der Zeit des Rokoko wird die Symmetrie und einheitliche Durchbildung des Grundrisses noch weiter gesteigert. Dabei legte man jedoch auch auf eine bequeme Einteilung und Einrichtung der Räume nach dem französischen Vorbilde großen Wert, wie denn Hasche in seiner Beschreibung Dresdens von mehreren Häusern erwähnt, daß ihre inneren Einrichtungen gänzlich die neuen französischen Bequemlichkeiten zeigen. Dresden besitzt eine Reihe vorzüglicher bürgerlicher Wohnhäuser aus der Zeit des Rokoko. Unter ihnen ist an erster Stelle das später als Rathaus eingerichtete, von Knöffel erbaute Haus Altmarkt 1 zu nennen. Es ist aus zwei Bürgerhäusern zusammengesetzt, deren vorzügliche Grundrißlösung wir noch in den Einzelheiten erkennen können. Von Knöffel rührt jedenfalls auch die ausgezeichnete Architektur des Gräflich Hoym’schen Palais an der Landhausstraße 11 her mit der sehr schön aufgeteilten Front und dem reizvollen Brunnen im Hofe. Weitere nennenswerte Bauten aus jener Zeit sind die Häuser Hauptstraße 7, Frauenstraße 7 und 14, das erstgenannte leider im unteren Teile verstümmelt, Schössergasse 25 und Große Klostergasse 4, das jetzige Kommandanturgebäude.

Während der Zeit des siebenjährigen Krieges wurde die Stadt zweimal von schweren Bränden heimgesucht, denen beim erstenmal 289, dann 85 Häuser zum Opfer fielen. Die ernste Zeit sprach sich auch in der Architektur der Wohnhäuser aus, die Schauseiten wurden einfacher und nüchterner. Schöne Wohngebäude sind uns von Krubsacius, Höltzer [16] und Exner erhalten, unter ihnen verdient das Josephinenstift Exners in der Großen Plauenschen Straße hervorgehoben zu werden. Weiter seien die Häuser Landhausstraße 4 und 15, Moritzstraße 5 und 6, Große Brüdergasse 25, Schießgasse 10 und einige Häuser am Neumarkt und an der Frauenkirche genannt. Das besonders schön ausgebildete, sehr klar im Grundriß durchgeführte Haus am Neumarkt 10, jetzt Stadt Rom, soll noch an anderer Stelle ausführlich besprochen werden.

Die Zeit des Klassizismus rief im Stadtbilde keine nennenswerten Änderungen hervor. Das vom Grafen Marcolini auf dem ehemaligen Brühl’schen Grundstück in Dresden-Friedrichstadt, dem heutigen Stadtkrankenhause, erbaute Palais mit seinen ausgedehnten Gartenanlagen war der letzte bedeutende Bau gewesen. Die äußerliche Pracht verschwand immer mehr und mehr, und man vertiefte sich in eine stille Behaglichkeit. Die Romantik mit ihrer Freude an der Natur und die von Winckelmann ausgehende Begeisterung für die Antike zogen in die Elbstadt ein. Dresden zehrte von jetzt an vom künstlerischen Ruhme vergangener Zeiten und wußte wenig Neues hinzuzufügen. Zwar treten noch einige Gestalten wie Rietschel, Hähnel und besonders Semper und Ludwig Richter im Kunstleben bedeutend hervor, doch zeigte im allgemeinen die Stadt damals einen kleinstädtischen Charakter.

Bürgerliche Wohnhäuser aus dieser Zeit finden sich viel in den Vorstädten. In der Innenstadt sind nur die Häuser Johannesstraße 23 (Mohrenapotheke), Hauptstraße 11, Landhausstraße 18 und 27 sowie einige Wohngebäude in der Pillnitzer und Pirnaischen Straße bemerkenswert. Auch das kleine, landhausartige Gebäude an der Polierstraße 19, dessen Front nach dem Nachbargrundstück gerichtet ist, muß als besonders charakteristisch für die Baukunst des Klassizismus hervorgehoben werden. Die nachfolgende Zeit brachte, wie schon in der Einführung gesagt wurde, nur Rückschritte in der bürgerlichen Baukunst und vermochte keine nennenswerten Leistungen hervorzubringen.

[17]

Die Rathäuser der Alt- und Neustadt.

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Das alte Dresdner Rathaus stand, wie wir das bei vielen früheren Stadtanlagen finden, frei auf dem Marktplatz vor den Häusern zwischen der Schloßstraße und Schössergasse. Seine äußere Gestalt kennen wir aus Beschreibungen und einem alten Kupferstiche. Es war ein langer schmaler Bau mit zwei Renaissancegiebeln über der Marktplatzseite, die mit einer Sonnenuhr und dem Zifferblatt der Schlaguhr geschmückt waren. Im Erdgeschoß befand sich die Trinkstube, darüber die große Ratsstube und die Räume für die Steuer. Für die in älterer Zeit der Stadt mit übertragene Gerichtsbarkeit hatte man im zweiten Stock einige Zimmer eingerichtet, ferner war im Dachgeschoß eine Stube für den Gerichtsschreiber untergebracht. Rings um das Gebäude waren Gewölbe und Läden für Krämer, und am östlichen Giebel die Rathauskapelle angebaut.

Auf Veranlassung des Kurfürsten Friedrich August I. mußte das alte Rathaus im Jahre 1707 abgebrochen werden, und der Rat erwarb das Gräflich Taube’sche Haus an der Ecke des Marktes und der Scheffelstraße, um es zum Rathause einzurichten. Dieses Haus war jedoch schon baufällig und mußte sehr bald niedergerissen werden. Die Stadt kaufte nun das in der Scheffelstraße anstoßende Leporini’sche Haus hinzu und beauftragte Knöffel mit dem Entwurf eines neuen Rathauses. Gleichzeitig verhandelte man mit den Gebrüdern von Döring wegen Ankauf ihres anstoßenden Hauses am Markt, um auch nach dieser Seite hin Erweiterungen vornehmen zu können. Der Kauf kam nicht so bald zustande, aber auf kurfürstlichen Befehl mußten die Gebrüder [18] Grundriß des ersten Obergeschosses des Altstädter Rathauses, des Döring’schen
und des Leporini’schen Hauses.
[19] von Döring ihrem Hause eine dem Rathause entsprechende Schauseite geben, um eine gleichmäßige und stattliche Front zu erzielen und spätere Schwierigkeiten zu vermeiden. Erst 1861 wurde auch dieses Gebäude mit dem Rathause vereinigt.

Der in seinen wesentlichsten Zügen Knöffel zuzuschreibende Bau (Taf. I) besteht sonach aus drei Teilen, dem in den Jahren 1741 bis 1745 errichteten Rathausneubau an der Ecke und den gleichzeitig entstandenen Leporini’schen und Döring’schen Häusern an der Scheffelstraße und am Markte, die im Innern noch den alten Wohnhaustypus zeigen. Interessant ist besonders der des ehemaligen von Döring’schen Hauses. Der Grundriß zeigt einen großen länglichen Innenhof, an dem an drei Seiten Zimmer liegen. Die Treppe befindet sich in der vorderen linken Ecke, von ihr aus gelangt man in einen Vorraum mit Türen nach den am Markt liegenden Zimmern und nach dem Speisesaal, der wieder den Zugang zu einigen Nebenräumen am Hofe vermittelt. Eine zweite Treppe und einige kleinere Räume sind von einem kleinen Innenhofe belichtet. Der Grundriß hat somit eine große Klarheit und Reife, die noch heute bewunderungswürdig ist und bei wenigen modernen Wohnhäusern in der Weise gefunden werden wird.

Kleiner und auch im Grundriß nicht so bedeutungsvoll war das Leporini’sche Haus an der Scheffelstraße. Die Mitte nahm hier ebenfalls ein größerer Hof ein mit einem seitlich vorgelagerten Flur zur Verbindung der Straßenzimmer und der rückwärts gelegenen Räume. Auffallend sind die vollkommen gewendelte Treppe und die häufige Überwölbung der Räume.

Der eigentlich als Rathaus errichtete Teil gruppiert sich abermals um einen großen Hof, angrenzend an die vorgenannten Wohnhäuser. Der Haupteingang lag am Altmarkt, die Treppe an der Scheffelstraße, aber vom Markt aus zugänglich. Ihrer Bedeutung entsprechend befanden sich die größeren zu Sitzungen und festlichen Zwecken benutzten Räume am Markte, die Kanzleien und Expeditionen an der Scheffelstraße. Hasche erwähnt in seiner umständlichen Beschreibung Dresdens, daß das Rathaus früher im ersten Stock die Ratsstube nebst Kommissionsstube und die Meißnische Kreissteuereinnahme, im zweiten die Stadtgerichte, Kämmerei, Pfennig- und Bürgersteuereinnahme, im dritten die Vormundschafts- und Personensteuerexpedition sowie die Versetzstube der Advokaten enthalten habe. [20] Ferner seien im Rathause noch eine Ratswage und eine Feuerwache untergebracht gewesen. Sitzungen waren früher am Mittwoch, Donnerstag und Sonnabend, da aber im Jahre 1725 der Konsistorialrat D. Schröter Stadtsyndikus wurde, und das Oberkonsistorium auch Mittwochs Sitzung hatte, mußte der Rat statt am Mittwoch am Dienstag zusammentreten.

Von dem Äußern sagt Hasche, daß es „ein in der That in angenehmen französischen Geschmack von vier Stockwerken errichtetes Gebäude“ sei. Es ist auch gewiß eines der schönsten Gebäude aus der Zeit des Rokoko und verdient um so mehr Beachtung, als die Schauseite drei voneinander getrennte Häuser zu einer einheitlichen Wirkung verbinden mußte. Von der Front am Altmarkt gehören sechs Fensterachsen der rechten Seite zum ehemaligen von Döring’schen Hause. Die Haupteingänge befanden sich früher in der Mitte der beiden Vorlagen. Die architektonische Wirkung ist unter sparsamster Verwendung des ornamentalen Schmuckes durchgängig mit Lisenen und breiten Simsen erreicht. Nur die beiden Vorlagen tragen über den Fenstern des ersten Obergeschosses Stuckreliefs mit den Bildnissen des Königs August III. und seiner Gemahlin, und über dem Hauptsims große Wappen mit militärischen Emblemen. Die Balkone an den Vorlagen sind mit schönen schmiedeeisernen Geländern geschmückt. Der Dachreiter erhielt im Jahre 1765 nach der Zerstörung der Kreuzkirche eine Uhr mit Glocke, da die Stadt außer der Schloßuhr damals keine öffentliche Uhr besaß.

Das alte Rathaus enthält heute noch Räume der städtischen Verwaltung, nur die im Erdgeschoß befindlichen Läden sind an Privatleute verpachtet.

Die Neustadt oder Altendresden, wie es früher hieß, war bis 1550 eine selbständige Stadtgemeinde und besaß deshalb auch seit frühesten Zeiten ein Rathaus. Es stand bis zum Jahre 1754 am Markte vor den Häusern zwischen der Hauptstraße und Kasernenstraße und ist uns nach den Gemälden Canalettos in der Dresdner Bildergalerie wohlbekannt. Melchior Trost soll es im Jahre 1527 erbaut haben. Das kleine Gebäude zeigte eine schlichte Schauseite mit zwei kleinen seitlichen Giebeln und einem Dachreiter. Im Obergeschoß befand sich die Ratsstube, die sowohl zu Sitzungen des Rats wie als Tanzboden für die Bürger diente. Als nach dem großen Brande im [21] Jahre 1685 sich die Neustadt bedeutend verschönerte, wollte man auch das alte Rathaus durch ein stattlicheres Gebäude ersetzen. Die Pläne zum Neubau wurden im Jahre 1732 begonnen, da der Kurfürst Friedrich August I. dem Rate zur Erbauung einer neuen Kirche und eines Rathauses einen Beitrag von 50 000 Talern bewilligt hatte.

So beschloß man, das alte Rathaus abzubrechen und an die Stelle des alten Gewandhauses und der Fleischbänke ein neues Gebäude für Ratszwecke zu setzen. Hierzu sollte die an dem Schulgäßchen gelegene, angrenzende Bölauische Brandstelle vom Rate erworben werden. Die Ausführung verzögerte sich jedoch noch längere Zeit, erst am 28. April 1750 wurde der Neubau vom Ratsmaurermeister Johann Christoph Berger und dem Ratszimmermeister Winkler begonnen. Der Bau schritt nun sehr rasch vorwärts, schon nach zwei Jahren konnte der eine Flügel bezogen werden, und am 6. Juni 1754 wurde der Turm mit Knopf und Fahne bekrönt. Das neue Rathaus hat vier Geschosse und Dachausbau. Im ersten Stock nach dem Markte befanden sich die Gerichtsstuben und Säle, nach der Hauptstraße die Gewandsäle, die Amtszimmer und einige Wohnungen. Das Erdgeschoß enthielt die Fleisch- und Brotbänke, die Chaisenbehältnisse und den Ratskeller. Es ist durchgängig mit Kreuzgewölben überdeckt. Die Kosten des Baues betrugen 49 413 Taler, 2 Groschen und 101/2 Pfennige.

Die Schauseiten des neuen Rathauses (Taf. II) sind einfach gehalten, aber von guter Wirkung. Die beiden, durch Verdachungen über den Fenstern herausgehobenen Vorlagen haben giebelartige Dachaufbauten, der Segmentgiebel an der Hauptstraße trägt die Inschrift:

AVSPICIIS
FRIDERICI AVGVSTI REG. POL.
ELECT. SAX. PATRIS PATRIAE OPT. PII FEL.
HANC CVRIAM EXTRVXIT SENATVS DRESD.

Die abgeschrägte Ecke des Rathauses nimmt im unteren Teile ein Brunnen mit zwei Figuren und einem Wassertrog ein. Er ist als ein Schmuck des Neustädter Marktes zugleich mit seinem Gegenstück an dem Hause Hauptstraße 2 in der Zeit des Rathausbaues entstanden, also besonders vom städtebaulichen Gesichtspunkte aus betrachtet, [22] beachtenswert. Die Bildhauerarbeiten rühren von Benjamin Thomae her und haben heute durch den Ölfarbenanstrich bedeutend an Reiz eingebüßt. Der Brunnen an der Ecke des Rathauses stellt eine nackte Nymphe dar, neben ihr befindet sich ein wasserspeiender Delphin. Links davon steht ein Knabe mit einem Fisch auf der linken Schulter.

So hat sich das Gebäude bis auf unsere Zeit erhalten. Mit feinem Verständnis und Taktgefühl sind vom Stadtbaurat Erlwein im Vorjahre die im Erdgeschoß befindlichen Läden umgebaut und auf die ganze Front an der Hauptstraße ausgedehnt worden. Ein kräftiger Sims trennt jetzt das Erdgeschoß von der oberen Schauseite ab, so daß diese in keiner Weise beeinträchtigt wird. Die Läden selbst sind mit Bögen abgeschlossen, sie haben gleiche Firmen und Schaufenstereinrichtungen und geben in ihrer Ausführung ein vorzügliches Beispiel für die nicht leicht zu lösende Aufgabe moderner Ladeneinbauten in alte Gebäude.

[23]

Wohnhäuser aus der Zeit der Gotik und Früh-Renaissance.

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In sehr vielen Fällen ist die Grundlage des Gemeinwesens und damit auch der Anfang der städtischen Gebilde der Ackerbau gewesen. Der Besitz des bestellten Landes und des für die Bewirtschaftung nötigen Gehöftes bezeichnete im Mittelalter die Stellung des freien Mannes, dem die Hörigen dienen mußten. Unter dem Schutz des Hofes standen vor der Gründung der Städte auch die Handwerker und Gewerbtreibenden, das bäuerliche Gehöft bildete ein in sich geschlossenes Ganzes, eine Stadt im kleineren Maßstabe. So waren sehr viele Städte ursprünglich Gemeinschaften bäuerlicher Besitzer. In den deutschen Siedlungsgebieten des vormals slavischen Ostens erfolgte die Gründung der Stadt oft durch Aufteilung eines größeren, in den Händen des städtegründenden Fürsten befindlichen Besitzes an die neuen Bürger unter Verleihung besonderer Rechte, insbesondere der Befugnis, Märkte für den freien Handel abzuhalten.

Es besaß auch in solchen Städten anfangs der Bürger neben der Hofstelle noch Ackerland, das von ihm bewirtschaftet werden mußte. So war es selbstverständlich, daß die Einrichtungen und Formen der bäuerlichen Gehöfte auf die Stadthäuser sich übertrugen. Wir finden in ihnen den Typus der ländlichen Güter in der Umgebung der Stadt wieder. Die Gründung der Stadt Dresden erfolgte vermutlich im Anfange des 13. Jahrhunderts durch den Markgrafen Dietrich. Der Stadtplan war regelmäßig, die einzelnen Grundstücke etwa 100 Ellen oder 60 Meter tief. Aus ihnen wurden drei bis vier Baustellen gebildet, so daß für die Gebäude 15 bis 20 Meter Frontlänge zur [24] Verfügung standen. Die Bevölkerung Sachsens war ursprünglich slavischen Ursprunges. Später vertrieben fränkische Stämme die Slaven und siedelten sich an. Das fränkische Bauerngehöft stand senkrecht zur Straße, das slavische aber mit der Breitseite parallel zur Straßenrichtung. In der neuangelegten Stadt, die deutschen Ursprunges ist, finden wir demnach den fränkischen Typus, während einige später einbezogene Dörfer aus ältester Zeit, so das im heutigen „Fischhofplatz“ noch erhaltene Fischersdorf sowie das rechts der Elbe gelegene Altendresden, die jetzige Neustadt, slavische Ansiedelungen waren, was sich aus der teilweise beibehaltenen Anlage der ehemaligen Dörfer und der Stellung der früheren Gehöfte noch heute erkennen läßt.

Der fränkische Typus ist der bedeutendere, aus ihm entwickelte sich das gotische Haus und damit das bürgerliche Wohnhaus überhaupt. Der Grundriß des gotischen Wohnhauses war überaus einfach. Da das zur Bewirtschaftung der Felder notwendige Vieh abends eingetrieben und mit im Hause untergebracht werden mußte, war im Erdgeschoß ein großer Torweg erforderlich, neben dem meistens ein Raum zu Niederlagszwecken angeordnet wurde. Aus Gründen der Feuersicherheit waren diese Torwege und die im Erdgeschoß liegenden Räume überwölbt, weshalb man sie auch kurzweg mit „Gewölbe“ bezeichnete. Die weiter im Innern des Gebäudes liegende Treppe war in gotischen Zeiten fast immer gewendelt. Sie führte im oberen Geschoß zunächst auf einen geräumigen Vorraum, neben dem sich die überwölbte Küche befand. Nach der Straße lagen in der Regel zwei Zimmer, von denen das größere als das bedeutendere oft mit einem Erker versehen war. Die im Seitenflügel und im Hintergebäude untergebrachten Räume waren von einer um den Hof führenden Galerie zugänglich. Einen derartigen Grundriß zeigen einige früher am Taschenberge gelegene Häuser nach einem im Königlichen Hauptstaatsarchive aufbewahrten Plane vom Königlichen Schlosse aus der Zeit um 1600. Die drei mit sehr schmalen Fronten von nur 9 bis 11 Metern versehenen Gebäude werden das Weißenfels’sche, das Kühn’sche und das Gerv’sche Haus genannt; beim Schloßumbau im Jahre 1892 wurden sie abgebrochen.

Die Zahl der Räume in einem solchen Hause war nicht übermäßig groß. Den bescheidenen Ansprüchen der Bewohner genügte außer den Wirtschafts- und Schlafräumen [25] eine größere Wohnstube, die auch als Speisezimmer diente, und eine Erkerstube zum Empfang von Besuchen und als Aufenthaltsraum für im Hause weilende Gäste. Festsäle waren in gotischen Wohnhäusern selten vorhanden, da man zu festlichen Gelegenheiten in den Zunfthäusern und Trinkstuben sich zusammenfand.

Der einfachen Inneneinrichtung entsprechend war auch die Schauseite solcher Häuser sehr schlicht. In den ältesten Zeiten, als noch der Holz- und Fachwerksbau vorherrschend waren, kam die Architektur wenig zur Entwicklung. Erst an den steinernen Häusern bemerken wir etwas Formensinn, der sich naturgemäß am stärksten am Giebel und an den Portalen entwickelt, während die Fenstergewände ein einfaches, nach innen laufendes Profil erhalten. Die Giebel wurden vielfach in mehrere Reihen Fenster geteilt und seitlich abgetreppt oder mit Schnecken versehen.


Grundriß des Erd- und ersten Obergeschosses des Gerv’schen Hauses.


Die glatte abgeschrägte Form des Giebels war in dieser Zeit verhältnismäßig selten. Besonders reich sind die Portale ausgebildet. Sie schließen fast immer im Rundbogen, selten in Spitzbogenform ab, sind sehr stark nach innen profiliert und auch öfter mit seitlichen Nischen und Sitzplätzen versehen. Dresden besitzt einige sehr schöne Portale von Wohnhäusern aus der Zeit der Renaissance, die jetzt am Königlichen Schlosse angebracht sind. Es sind dies das Tor des bereits erwähnten Kühn’schen Hauses am Taschenberge, und ein weiteres vom Hause Sporergasse 2. Beide Portale sind nach Gurlitt in der Zeit von 1560 bis 1580 entstanden.

Im übrigen finden sich in Dresden sehr wenig Überreste aus der gotischen Zeit. Von Wohngebäuden haben sich nur das Haus Ecke Schloßstraße und Wilsdruffer Straße, die mehrfach umgebaute Marienapotheke am Altmarkt und einige durch Umbauten sehr [26] stark veränderte Häuser in der Schloßstraße erhalten. Das gotische Haus Wilsdruffer Straße 2, Ecke Schloßstraße (Taf. III), ist im Innern und Äußern sehr bemerkenswert und kann als eines der ältesten Häuser Dresdens angesehen werden. Es zeigt noch heute im Grundriß die alte gotische Anlage.


Gotisches Haus, Wilsdruffer Straße 2. Grundriß des Erd- und
ersten Obergeschosses.


Das Gebäude war, wie aus einem im Grünen Gewölbe befindlichen Stadtmodell vom Jahre 1521 ersichtlich ist, ursprünglich zweigeschossig. Der Eingang zum Erdgeschoß, das ganz überwölbt ist, lag früher an der Schloßstraße. An die Stelle der alten Wendeltreppe hat man später eine mehrarmige geradläufige Treppe gesetzt.

Das Äußere des Hauses zeigt jetzt nur noch am Erker die ursprüngliche Gestalt, doch erkennt man an den Profilen der Fenster noch die früheren gotischen Formen. Die gotische Architektur des Erkers gehört nach Gurlitt der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts an. Der Erker trägt an den Brüstungen feines Maßwerk, an den Pfeilern auf Konsolen die Figuren des Apostels Johannes mit dem Kelche, der Jungfrau Maria mit dem Kinde und des Heiligen Christophorus mit dem Jesusknaben auf dem Rücken. Diese Bildhauerarbeiten stammen aus dem Anfange des sechzehnten Jahrhunderts. [27] Nach einer am unteren Rand des Erkers früher befindlichen Inschrift hat das Haus Hans Gleynig erbaut. Er saß 1506 im Rate der Stadt und war später siebenmal regierender Bürgermeister von Dresden. Hasche erwähnt, daß dieses Haus später nacheinander den Familien Heigius, Bauer und Clauder gehört habe. Der jetzige Inhaber scheint nicht das hohe Interesse für die geschichtliche Bedeutung seines Hauses zu besitzen wie die früheren, sonst würde er nicht dulden, daß es in so aufdringlicher und häßlicher Art und Weise mit Reklame bedeckt bleibt. Leider sind auch die gesetzlichen Maßnahmen bisher unzureichend gewesen, um einen solchen Zustand beseitigen zu können. Es ist jedenfalls Grund genug vorhanden, dieses Haus aus der ältesten Zeit Dresdens in Schutz zu nehmen.

Gotische Fensterprofile, die auch auf das Alter der betreffenden Häuser schließen lassen, finden sich noch an mehreren Gebäuden der Schloßstraße, so bei den Häusern Nr. 9, 12, 14, 21, 30 und 32. Unter ihnen ist das vorletzte, das frühere fürstliche Haus in der Elbgasse (Taf. V) besonders durch seinen Erker berühmt. Es wurde nach Gurlitt vom „Herrn Schenken“ erkauft und in den Jahren 1609 bis 1610 erneuert. Melchior Brenner hatte die Ausführung des Umbaues, die Steinmetzarbeiten lieferte Hans Steyer, die Maurerarbeiten Michael Merbt und Peter Kummer, die Malerarbeiten Peter D. Brück und Christoff Gromm. Das Haus ist vermutlich aus der Zeit um 1500. Der aus Sandstein hergestellte Erker ist mit viel Bildhauerarbeit versehen, und zwar tragen die Säulen, der Architrav und der Fries Flachreliefs, die Brüstung ein Hochrelief mit den Bildnissen des Kurfürsten Christian II. und seiner Gemahlin Hedwig von Dänemark. Der Kurfürst ist in voller Rüstung mit dem Kurschwert und der Feldbinde dargestellt, die Fürstin im weiten Reifrock mit der Haube auf dem Kopf, nach Sitte der damaligen Zeiten. Unter den Bildnissen sind im Architrav die Wappen von Sachsen, der Kur und von Dänemark, sowie zwei Ordenssterne angebracht. Dieser Teil des Erkers ist 1610 entstanden, der darüber befindliche Geschoßteil mit der Inschrift:

Jehovae Bonitate constantissimi moriar

und der Jahreszahl 1678 rührt von einem Umbau unter dem späteren Besitzer Johann [28] Seite:Walter Mackowsky Baudenkmäler.djvu/40 [29] Seite:Walter Mackowsky Baudenkmäler.djvu/41 [30] Seite:Walter Mackowsky Baudenkmäler.djvu/42 [31] Seite:Walter Mackowsky Baudenkmäler.djvu/43 [32] Seite:Walter Mackowsky Baudenkmäler.djvu/44 [33] Seite:Walter Mackowsky Baudenkmäler.djvu/45 [34] Seite:Walter Mackowsky Baudenkmäler.djvu/46 [35] Seite:Walter Mackowsky Baudenkmäler.djvu/47 [36] Seite:Walter Mackowsky Baudenkmäler.djvu/48 [37] Seite:Walter Mackowsky Baudenkmäler.djvu/49 [38] Seite:Walter Mackowsky Baudenkmäler.djvu/50 [39] Seite:Walter Mackowsky Baudenkmäler.djvu/51 [40] Seite:Walter Mackowsky Baudenkmäler.djvu/52


Tafel I. [-] Tafel II. [-] Tafel III. [-] Tafel IV. [-] Tafel V. [-] Tafel VI. [-] Tafel VII. [-] Tafel VIII. [-] Tafel IX. [-] Tafel X. [-] Tafel XI. [-] Tafel XII. [-] Tafel XIII. [-] Tafel XIV. [-] Tafel XV. [-] Tafel XVI. [-] Tafel XVII. [-] Tafel XVIII. [-] Tafel XIX. [-] Tafel XX.

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