italienischen Palazzo als das eines bescheidenen Wohnhauses, überall machte sich ein überladenes Protzentum breit an Stelle gediegener Einfachheit, die vordem der Stolz dieses Standes gewesen war.
Diese Scheinkultur wurde noch schlimmer, als man mit dem Aufschwunge der Technik gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts damit begann, alle diese Dinge aus unechten Stoffen herzustellen, um sie auch den weniger bemittelten Kreisen zugängig zu machen. Die im Laufe der Zeiten bewährten Bausteine und Hölzer wurden jetzt durch minderwertige Nachahmungen verdrängt, die billigere Maschinenarbeit untergrub den Wert handwerklicher Leistungen, und mit wenig Geschmack hergestellte Fabrikware, deren Haltbarkeit von begrenzter Dauer war, überschwemmte Stadt und Land. So kam der gute Geschmack immer mehr abhanden, und das vom Bürgerstande gegebene schlechte Beispiel fand sehr bald auch bei den niederen Ständen Nachahmung und vergiftete das bis dahin gesunde Empfinden des Volkes.
Die uns von den Vätern überlieferte Kunst, die sich früher auch des kleinsten Gegenstandes liebevoll angenommen und ihm einen gewissen schönheitlichen Reiz verliehen hatte, war mit einem Male aus dem täglichen Leben geschwunden. Sie wurde als eine kostspielige und unpraktische Beigabe angesehen und war fortan nur für Liebhaber und Idealisten vorhanden. Die Kunst war jetzt nicht mehr dort zu finden, wo ihre eigentliche Wohnstätte sein sollte, in der Werkstatt und am häuslichen Herde, sie war heimatlos geworden. Die Öffentlichkeit mußte sich ihrer annehmen und sie in Vereinen und Museen pflegen. Wenn wir uns heute an prächtigen Möbeln, schönem Hausgerät und malerischen Trachten erfreuen wollen, suchen wir in bürgerlichen und Volkskreisen oft vergeblich danach, es ist alles in das Museum gekommen, wo man die Kunst in allen möglichen Erscheinungsformen sorgfältig gesammelt, aufgestapelt und eingeordnet hat.
So war es mit dem bürgerlichen Hause und der bürgerlichen Kunst im neunzehnten Jahrhundert schlecht bestellt. Gewichtige Stimmen wurden laut, die zur Umkehr vom falschen Wege aufforderten und eine Reaktion in gesündere Bahnen einleiteten. Diese Bewegung ging von England aus, wo John Ruskin in seinen bekannten Schriften für
Walter Mackowsky: Erhaltenswerte bürgerliche Baudenkmäler in Dresden. Verlag von C. Heinrich in Dresden-N., Dresden 1913, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Walter_Mackowsky_Baudenkm%C3%A4ler.djvu/16&oldid=- (Version vom 3.12.2024)