Seite:Weiberhass und Weiberverachtung.djvu/13

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gewöhnlichen noch in der wissenschaftlich gereiften Erfahrung das geringste entgegen.« (!) Des weiteren wird von dieser gesetzmäßig zu begründen gesuchten sexuellen Anziehung ausgesagt, daß sie fast »ausnahmslos eine gegenseitige ist«. Und das stimmt erst recht nicht! Ein jeder fast strebt nach einem andern als dem, der nach ihm strebt! »Ein Jüngling liebte ein Mädchen – die hat einen anderen erwählt – der andere liebt eine andere – und hat sich mit dieser vermählt.« Eine uralte Geschichte, die ewig neu und wahr bleibt. Und eine Vereinigung ist fast immer auf der einen Seite ein Kompromiß – eine Art Resignation – und glückliche Ausnahmen bestätigen nur diese Regel.

Hochinteressant ist das vielseitige Wissen, welches besonders aus den Disziplinen der Botanik und Mathematik zur Unterstützung der eigenen Thesen herbeigeholt wird und sich auf einem mit sicherer Hand konstruierten Geleise den Zielen und Zwecken, denen es zu dienen bestimmt ist, zubewegt: Ergebnisse einer eminenten, aber nichts weniger als »voraussetzungslosen« Forschung. Solange sich Weininger in konstatierender Weise an das rein Wissenschaftliche hält – sei es auch hypothetisch – imponiert der tiefgründige Scharfsinn, mit dem besonders Analogien aus Tier- und Pflanzenreich herbeigezogen werden, um irgend eine Formel, wie eben das interessant, ja künstlerisch gedachte, aber phantastische und unhaltbare Gesetz von der Affinität der Geschlechter zwecks wechselseitigen Ausgleiches von Potentialdifferenzen (nirgends ist die Natur zweckloser, wüstlingshaft verschwenderischer als gerade in der Liebe!) – zu illustrieren. Es fesselt und interessiert die dialektische Gewandtheit, die Agilität des Geistes, die sofort in Zahlen und Ziffern herauszubekommen sucht, – was sie schon als vorgezeugtes Resultat bereithält und auf die der von Weininger selbst zitierte Kantsche Ausspruch von der »Eitelkeit auf das mathematische Gepränge« recht gut zu passen scheint.

Empfohlene Zitierweise:
Grete Meisel-Heß: Weiberhaß und Weiberverachtung. Die Wage, Wien 1904, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Weiberhass_und_Weiberverachtung.djvu/13&oldid=- (Version vom 1.8.2018)