er so groß wie Merkur selbst sein müßte, unseren jetzigen Beobachtungsmitteln also nicht entgehen könnte. Die einzige befriedigenere frühere Erklärung stammt von Seeliger, der das Zodiakallicht verantwortlich machte, anscheinend eine gewaltige Staubhülle, die in Form eines Sphäroids die Sonne umgeben soll, und die über die Erdbahn bis zur Marsbahn hinausragt. Allein, diese und ähnliche Erklärungen haben mit der großen Schwierigkeit zu kämpfen, daß, wenn sie auf der einen Seite das Gewollte erreichen, sie an anderen stellen etwas schaffen, das dort der Erfahrung nicht entspricht. Seeliger hat, um dem zu entgehen, weitere Annahmen machen müssen, unter anderem auch die höchst merkwürdige, von Anding stammende, daß unser Sonnensystem als Ganzes, oder die umgebende Sternenwelt als Ganzes um unser Sonnensystem, sich dreht (in etwa 17 Millionen Jahren einmal im Kreise herum). Neuerdings hat dann Freundlich von der hiesigen Sternwarte berechnet, das die von Seeliger angenommene Dichte der Zodiakalhülle, wenn auch nur von dreihundertel Milligramm im Kubikmeter, doch bei weitem zu groß sein dürfte gegenüber anderen Ergebnissen. Dieses alles und das Rätsel, in dem das Zodiakallicht gegenwärtig überhaupt noch schwebt, scheint der geistvollen Seeligerschen Berechnung, die noch sonstige Merkwürdigkeiten im Sonnensystem erklären sollte und erklärt, leider einen Teil ihrer Entscheidung noch zu rauben. Und es zeigt sich, wie sehr sich die Astronomen quälen müssen, um aus dem Lehrgebäude Mängel, die der Nichtfachmann nur als Schönheitsfehler bezeichnen würde, zu entfernen, und wie unbefriedigend dabei oft selbst das Beste ausfällt. Das ist aber besonders bedauerlich, weil es auch gegen die Grundlagen der betreffenden Wissenschaft mit Mißtrauen erfüllt.
Einsteins Lehre löst die Frage unmittelbar. Sie zeigt, daß jeder Planet für sich schon, ganz ab von den Störungen durch andere Himmelskörper und sonstige Massen, eine Verschiebung seines Nähe- und Fernpunktes, gewissermaßen eine Drehung seiner Bahn, erfahren muß. Einstein hat sie für den Merkur genau in dem Betrage errechnet, der den Astronomen bisher so unsägliche Schwierigkeiten mit so vielem Aerger bereitet hat. Aber wie? Da nach dem Newtonschen Anziehungsgesetz eine solche Verschiebung für jeden Himmelskörper für sich doch gar nicht möglich ist; Nun, Einstein verfährt völlig radikal; er reist unsere bisherigen Naturanschauungen mit der Wurzel aus und pflanzt neue ein, in die wir uns noch hineinzuleben haben. Er und der leider so jung hingeraffte Minkowski.
Man hat früher den Raum von der Zeit getrennt; jenen mehr als ein Aeußerliches, diese als ein Innerliches betrachtet. Die Einsteinsche Lehre verbindet beide zu einem Gebilde, dem Raumzeitgebiet. Also ein vierdimensionaler Raum! Ja! aber nicht im Sinne der Spiritisten, die dem Raum an sich eine vierte Dimension zuschreiben, und die ich mit der Frage ärgern konnte, warum sie für ihre Vorführungen Eintrittsgeld nähmen, da sie doch aus ihrer vierten Dimension ohne weiteres alles Gold und alle Juwelen aus dem Erdinnern an sich raffen könnten, wie wir aus unserer dritten Dimension von einer Fläche alles abzuheben vermöchten. Also die vierte Dimension der neuen Lehre enthält nichts Mystisches. Wie weit man die Verbindung von Zeit und Raum nach der Erkenntnis rechtfertigen kann, steht noch dahin und bedarf tiefer Untersuchung. Die Einsteinsche erste Relativitätslehre behauptete nun, daß in diesem Raumzeitgebiet die Naturgesetze immer die gleiche Form haben, ob die Körper, auf denen und von denen aus sie untersucht werden, darin ruhen oder sich gleichförmig in gerader Linie bewegen. Nun kennen
Max Bernhard Weinstein: Eine deutsche wissenschaftliche Großtat während des Krieges. Berliner Tageblatt (in Beilage "Der Zeitgeist" vom 28. Februar 1916), Berlin 1916, Seite 1 (Spalte 2). Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Weinstein_-_Wissenschaftliche_Gro%C3%9Ftat.djvu/2&oldid=- (Version vom 2.10.2024)