William Shakespeare: Romeo und Juliette. Übersetzt von Christoph Martin Wieland, Shakespear Theatralische Werke VII. | |
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die Schönheit einer ganzen Nachkommenschaft. Sie ist zu weise um so schön, oder zu schön um so weise zu seyn; und es ist grausam an ihr, den Himmel damit verdienen zu wollen, daß sie mich zur Verzweiflung treibt – –
Benvolio.
Laßt euch einen guten Rath geben, und vergeßt, an sie zu denken.
Romeo.
O lehre mich erst, wie ich vergessen kan, mich meiner selbst zu erinnern.
Benvolio.
Gieb deinen Augen ihre Freyheit wieder; lenke deine Aufmerksamkeit auf andre Schönheiten.
Romeo.
Das wäre das Mittel, alle Augenblike an den Vorzug der ihrigen erinnert zu werden. Diese glüklichen Schleyer, die die Stirne schöner Damen küssen, erheben durch ihre Schwärze, die Schönheit, so sie verbergen. Wer durch einen Unfall blind worden ist, kan nicht vergessen, was für einen kostbaren Schaz er mit seinem Gesicht verlohren hat. Zeigt mir ein Frauenzimmer, das unter tausenden die schönste ist; wozu kan mir ihre Schönheit dienen, als zu einem Spiegel, worinn ich diejenige erblike, die noch schöner als die schönste ist? Lebe wohl, und gieb es auf, mich sie vergessen zu lehren.
William Shakespeare: Romeo und Juliette. Übersetzt von Christoph Martin Wieland, Shakespear Theatralische Werke VII.. Orell, Geßner & Comp., Zürich 1766, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wieland_Shakespear_Theatralische_Werke_VII.djvu/20&oldid=- (Version vom 1.8.2018)