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System der nichteuklidischen Geometrie und der Theorie der Kovarianten darstellen läßt, bietet Gewähr dafür, daß sie von innern logischen Widersprüchen frei ist.

Mir scheint, daß die Gegner der allgemeinen Relativitätstheorie bei den Versuchen logische Einwände gegen sie vorzubringen, nicht genügend auf den Unterschied zwischen der physikalischen Theorie, und ihrer mathematischen Gestalt unterschieden haben.

Die Forderung 3., daß die Beobachtungen mit den Folgerungen aus der Theorie übereinstimmen müssen, ist, wie wir gesehen haben, noch nicht erledigt.

Wir kommen nun zur Forderung 4. daß die Theorie einfach sein müsse.

Mir scheint, daß die eigentliche Gegnerschaft gegen die Relativitätstheorie und zwar nicht mit Unrecht aber großenteils unbewußt, daraus folgt, daß die Theorie zu verwickelt erscheint und zu sehr mit gänzlich abgezogenen Begriffen arbeitet.

Schon die spezielle Relativitätstheorie führt mit der Annahme, daß die Maßeinheiten von Länge und Zeit von der Bewegung abhängen sollen, eine Abstraktion ein, die dem physikalischen Denken zuwiderläuft. Daß zwei Geschwindigkeiten sich nicht einfach addieren sollen, erhöht auch nicht die Einfachheit der ganzen Theorie. Die allgemeine Relativitätstheorie gehört aber zu den abstraktesten Gebieten der Mathematik überhaupt und die Frage erscheint daher durchaus berechtigt, ob wir wirklich dazu genötigt sind, die bisherige einfache Geometrie als Grundpfeiler der Physik aufzugeben und zu Betrachtungen überzugehen, die mathematisch sicher einwandfrei sind aber die Physik auf unsichern Boden stellen. So leicht es dem Mathematiker wird, die Geometrie beliebig zu verallgemeinern, da er nur die Logik als Richtlinien gelten zu lassen braucht, so schwer wird es dem Physiker, die einfachen Grundlagen seiner Wissenschaft zu verändern, weil dann immer wieder neue Änderungen drohen. Wenn indessen sich die Folgerungen aus der Relativitätstheorie wirklich bestätigen sollten, so wird ihr immer eine große Bedeutung zukommen. Man wird versuchen, sie soviel als möglich zu vereinfachen und dabei zu neuen Auffassungen und Darstellungsmethoden gelangen.

Aber wir müssen nun noch etwas näher auf einen erkenntnistheoretischen

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Wilhelm Wien: Die Relativitätstheorie vom Standpunkte der Physik und Erkenntnislehre. Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1921, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:WienRel.djvu/22&oldid=- (Version vom 1.8.2018)