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wurden nicht etwa aus nichts geschaffen, sondern die Erde ließ sie hervorgehen. Man unterscheidet deshalb eine creatio prima und eine creatio secunda. Die creatio prima, die erste Schöpfung, ist eben die Tatsache, daß Gott das Weltall ins Dasein gerufen hat, und daß diese Welt demnach einen Anfang hat. Das haben wir festzuhalten. Die Welt hat einen Anfang genommen, es ist nicht etwa ein ewiger Kreislauf der Dinge, ein Werden und Vergehen und Wiederwerden. Man kann das auch dem natürlichen Denken einigermaßen einleuchtend machen. Es steht fest, die Erde selbst bezeugt es durch das Erdinnere, durch die Bildung der Gesteine, daß diese Erde eine Entwicklung genommen hat, die aber bis zu einem bestimmten Ziel geführt worden ist. Sie steht jetzt still; eine weitere Entwicklung der Schöpfung, der Erde, über das hinaus, was jetzt seit Bestehen der Menschheit vorhanden ist, gibt es nicht. Ist also die gegenwärtige Welt und Schöpfung bis zu einem bestimmten Ziel geführt worden, so wird sie auch einen Anfang genommen haben. Uns steht es jedenfalls fest: Die Welt hat einen Anfang genommen, Gott hat sie ins Dasein gerufen. Was man die creatio secunda, die 2. Schöpfung, nennt, ist dann die Ausgestaltung der erschaffenen Welt in den Zustand, in dem wir sie jetzt vorfinden. So erzählt es uns ja nacheinander der Schöpfungsbericht. „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ und der zweite Vers sagt, daß die Erde wüste und leer war, daß es finster war auf der Tiefe, der Geist Gottes schwebete auf dem Wasser. Dann kommt erst das weitere Tun Gottes, das zum jetzigen Zustand der Dinge geführt hat. Ob zwischen der 1. und 2. Schöpfung eine lange geschichtliche Entwicklung mitten inne liegt, das wissen wir nicht. Es ist eine vielfach gehegte Vermutung, daß die Erde ursprünglich der Wohnsitz von Engeln gewesen sei, die dann unter des Satans Einfluß von Gott abgefallen seien, daß dadurch eine Zerstörung, eine richtende, der ersten Welt statt gefunden habe und daß dann die jetzige Schöpfung, die auf den Menschen abzielte, sie wieder emporheben sollte; sodaß dem Menschen von Anfang die Aufgabe gestellt gewesen wäre, die Erde wieder zu Gottes Eigentum zu machen. Das ist lediglich eine Vermutung, die wir ja nicht mit Sicherheit vortragen dürfen. Hier gilt es sich zu bescheiden. Wir bleiben dabei: Gott hat die Welt aus dem Nichts ins Dasein gerufen.

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 Es ergeben sich daraus für unser christliches Denken der Fragen manche. Dürfen wir die Frage aussprechen: Wie haben wir es zu denken, daß Gott von Ewigkeit her gewesen ist vor der Welt und ohne die Welt? Was tat Gott vor der Schöpfung der Welt? Sie kennen wohl die scherzhafte Antwort Luthers: „Er ist in einem Birkenwäldlein gesessen und hat Ruten geschnitten für unnütze Frager.“ Das mag man einem Kind