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zu Gott noch nicht gegeben; durch Christum ist es erst zustandegebracht worden und der heilige Geist bringt die Einzelnen dazu und gibt Zeugnis unserm Geist, daß wir Gottes Kinder sind. Dieser Geist ist weiter ein Geist des Lebens in Christo (Röm. 8, 2) „der Geist, der da lebendig machet.“ Wörtlich: der Geist des Lebens in Christo. Nur wo der Geist Gottes im Herzen wirkt, da ist wahres Leben aus Gott vorhanden, da ist ein gewisser Geist, weil dieser Geist, der im Herzen sein Werk hat und sich aus gestaltet, uns das Unterpfand unseres Erbes ist. Er ist ferner ein Geist des Gebets; denn der Geist allein kann lehren, wie man im Geist und Wahrheit zu Gott ruft, er allein kann die rechte Andacht und Sammlung der Seele schenken, uns helfen, daß wir voller Freudigkeit und der Erhörung gewiß vor Gott treten. Er lehrt uns auch, was wir beten sollen, damit es Gott gefällt. Er ist endlich ein Geist der Kraft, der Liebe und der Zucht, also ein Geist, der uns innerlich lehrt zu halten, wie Luther so schön sagt „rechte Maß“, unser Geistesleben auf rechter Bahn, nach dem göttlichen Willen zu gestalten. Er ist der Geist der Stärkung im Kampf, der Geist des Trostes und der Hoffnung. Das alles wirkt derselbe heilige Geist, das alles haben wir durch ihn.

 Wir dürfen gewiß sagen, daß auch wir ihn haben und daß die heilige Liebe Gottes sich fortwährend durch den Geist auf uns herabläßt. Diese Liebe soll auch von uns gepriesen sein.

Ps. 51, 3–14. Lied 298.





8. Stunde
am Dienstag, den 28. November vormittags 9 Uhr.
Lied 12, 4–7. Ps. 18, 2–20, 50, 51. Kollekte 226, 57.
Das persönliche Erleben der Gottesliebe.

In den Jahrhunderten vor der Reformation standen in der mittelalterlichen Kirche zwei Richtungen nebeneinander: die Scholastik und die Mystik. Es handelte sich bei diesen beiden Richtungen um die Frage, wie man zur Erkenntnis der Wahrheit gelangt. Die Scholastik sagt: Durch begriffliche Erfassung dessen, was die Kirche zu lehren darbietet. Die Mystik sagt: Auf dem Wege der eigenen Erfahrung. An jeder der beiden Richtungen ist