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das von einem der edelsten Mystiker herstammt, von Bernhard v. Clairvaux, in der Uebersetzung Zinzendorfs: „Jesu deiner zu gedenken,“ dort heißt es im 5[.] Vers: „Schweigt ihr ungeübten Zungen..., was die Liebe Christi sei.“

 Wir haben gestern von der göttlichen Liebe geredet, die sich auf die einzelnen herabsenkt durch den heiligen Geist. Nun haben wir davon zu reden, wie diese Liebe Gottes von den einzelnen erfahren und erlebt wird. Wir reden vom

persönlichen Erleben der Gottesliebe

und wollen kennen lernen: 1. Die Erfahrung der göttlichen Liebe in dem Zug zu Jesu Christo, 2. das Ergreifen der göttlichen Liebe in der Rechtfertigung, dann 3. die dankbare Beweisung der göttlichen Liebe im Eifer zu guten Werken und 4. die volle Erkenntnis der göttlichen Liebe in der Vereinigung mit Christo.


I.

 Die Liebe Gottes senkt sich auf uns herab durch den heiligen Geist. Wodurch der Geist in die Herzen kommt, davon haben wir gestern eingehend gesprochen: durch die Gnadenmittel, Wort und Sakrament. Wir haben auch schon davon geredet, was schließlich diese durch den Geist auf uns sich herabsenkende Liebe Gottes in uns wirken soll, ein neues Herz; aber nun wird besonders davon zu reden sein, wie die Wirkung der Liebe Gottes in den Herzen der Menschen vor sich geht, so daß es zu einem inneren Erleben, einer persönlichen Erfahrung der Liebe Gottes kommt. Der Herr sagt Joh. 6, 44 „Es kann niemand zu mir kommen... gesandt hat.“ Es stimmt das ganz mit dem Bekenntnis der Kirche im Katechismus überein, daß wir nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesum Christum... kommen können; nur ist dieser einleitende Satz Luthers nach der Natur der Sache mehr verneinend ausgedrückt, während jetzt zu fragen sein wird: wodurch kommen wir dann zu Christo? oder um an Christi Wort anzuknüpfen: worin besteht dieser Zug des Vaters? Der Herr will in diesem Wort vor allem die Einheit von seinem und des Vaters Werk bekunden. Der Sohn tut nichts, als was er den Vater sieht tun und der Vater richtet sein Werk in der Welt, das Heilswerk, aus durch den Sohn; der Sohn führt zum Vater; aber niemand kann zum Sohne kommen, wenn ihn nicht wieder der Vater zum Sohne zieht. Das tut der Vater durch den Geist, den er sendet, aber auch durch die Lebensführung. Wie gnädig und freundlich hat uns alle der Gott und Vater unseres Lebens geleitet und so geführt, daß wir zu Christo hingezogen worden sind. Am Anfange unseres Lebens