Seite:Wilhelm Eichhorn - Einsegnungsunterricht 1912.pdf/57

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babylonischen Exil die Juden begannen, am Sabbath sich an einem bestimmten Ort um die Lesung der hl. Schrift zu versammeln, denn sie waren ja ohne Tempel und Opfer. Zurückgekehrt in ihr Land entstanden dann an jedem größeren Ort diese Schulen oder Synagogen, deren gottesdienstliche Ordnung vielfach für die christliche Kirche vorbildlich geworden ist. Der christliche Gottesdienst knüpft viel mehr an die Synagogen-Gottesdienste an, als an die Tempelgottesdienste, die in ihrer vorbildlichen schattenhaften Bedeutung ihr Ziel und Ende erreichen sollten. In der apostolischen Zeit finden wir den ganzen Gottesdienst in freier, geisterfüllter Weise. Der Herr hat den Gottesdienst im Geist und in der Wahrheit gebracht, wie er im Gespräch mit der Samariterin es bezeugt. In Ihm war die Hütte Gottes bei den Menschen vorhanden. In Ihm hatte Gott selbst Wohnung unter den Menschen gemacht. Die Gemeinschaft Gottes mit den Menschen war hergestellt durch Ihn und in seiner Gemeinde konnte darum die wahre Pflege der Gemeinschaft mit Gott stattfinden, hat Er doch alle Seine Gläubigen zu Priestern gemacht, ihnen das priesterliche Recht verliehen, selbst vor Gott zu treten. Wenn Er Seiner Gemeinde auch ein Amt mit auf den Weg gab, so war es nicht etwa wieder ein Priesteramt zur Vertretung der Gemeinde, sondern lediglich der Dienst zur Verwaltung der Gnadenmittel, Wort und Sakrament. In der ersten nachapostolischen Zeit haben die Gottesdienste in schöner Weise – im Sinne eines Gottesdienstes im Geist und in der Wahrheit – sich allmählich gefestigt und bestimmte Form angenommen und manches von dorther Stammende klingt noch heute in unsern Liturgien wieder, wie das Laudamus: „Wir loben dich, wir benedeien dich etc.“, wie auch das Einsegnungsgebet der Diakonissen den apostolischen Konstitutionen, einer nachapostolischen Sammlung kirchlicher Ordnungen entnommen ist.

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 In der Römischen Kirche ist der Gottesdienst stark veräußerlicht. Wir brauchen nur an die Bilder-Verehrung erinnern. Die Reformation kehrte aber auch auf diesem Gebiet wieder zu den apostolischen Ordnungen und zu den Einrichtungen der ältesten Kirche zurück, freilich sind die Ordnungen der Reformation vielfach durch die Ungunst der Zeit nicht zur völligen Ausbildung gelangt, zumal da eine einheitliche Ordnung nicht möglich war; aber was für herrliche Schätze liegen in den alten Kirchen-Ordnungen der Reformationszeit, voran die herrlichen Gebete und die wichtigen Ordnungen für die Seelsorge. Der Rationalismus hat – das hörten wir, als es sich um die Privatbeichte handelte – eine traurige Zerstörung herbeigeführt und dann nach der Zeit des Rationalismus galt es anzuknüpfen an die frühere Entwicklung und mußte der Gottesdienst im Sinn und Geist der Väter, erst wieder geordnet werden. Hier hat Löhe die größten Verdienste gehabt. Er war der erste, der wieder die alten Ordnungen in seiner Agende – die er zunächst für die lutherischen Gemeinden Nordamerikas verfaßte – dargeboten hat und so ist die bayer. luth.