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Betätigung der Kirche und des Kirchentums. Die Kirche hat Recht und Macht, Ordnungen zu treffen und zur Erziehung ihrer Kirchenglieder aufzustellen; denn der Herr hat ihr gesagt: „Weide Meine Schafe, weide Meine Lämmer.“ Zu solchen von der Kirche getroffenen Einrichtungen gehört die Beichte, der wir eine besondere Stunde unseres Unterrichtes gewidmet haben. Es gehört dazu die Konfirmation, die lediglich eine Kirchenordnung ist, aber eine, wie Löhe sagt: „von Segen triefende, mit dem Wort Gottes reichlich ausgestattete, die zur Erziehung der Seelen, zur Leitung der Gemeinde in der Gegenwart unentbehrlich ist.“ Ja, man könnte die Sonntagsfeier selber hierhernehmen, nachdem die Sonntagsfeier für uns Christen nicht ein göttliches Gebot, sondern freie Einrichtung und Ordnung der Kirche ist, freilich im Sinn ihres Herrn und Meisters und in rechtem Verständnis des alttestamentlichen Sabbath-Gebots. Auch die kirchliche Trauung, das Begräbnis und noch manch anderes könnte genannt werden als Erziehungsmittel der christlichen Kirche gegenüber ihren Gläubigen. Es ist uns in unserem Hause grade klar der Weg gezeigt an die Ordnungen der Kirche uns zu halten in Demut und in einfachem Sinn. Wir dürfen nicht in unnüchterner Weise selbst irgend neue Wege suchen, sondern – und das ist für den Beruf der Schwestern wichtig – auch die, welche sich von uns beeinflussen lassen, gilt es zur treuen Erfüllung dieser Ordnungen anzuhalten.

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 Nun heben wir aus diesen kirchlichen Erziehungsmitteln besonders eines hervor: das ist der kirchliche Gottesdienst, den wir mit Recht benennen dürfen eine sonderliche Gnadenquelle und zugleich eine Kraftquelle in der durch denselben gepflegten Andacht. Der Gottesdienst ist nichts anderes als eine geordnete Einrichtung zur Pflege der Gemeinschaft mit Gott. So tritt uns der Gottesdienst alsbald im Anfang der Menschheitsgeschichte entgegen. Wir erwähnten schon einmal Enos, den Sohn Seths, zu dessen Zeit man „anfing zu predigen von des Herrn Namen“, das heißt gemeinsam den Namen des Herrn anzurufen. Das war der gemeinsame Gottesdienst in der Patriarchenzeit, wie auch Abraham überall, wohin er kam, Altäre aufrichtete, um in Gebet und Opfer die Gemeinschaft Gottes zu pflegen, und auch andere dazu anzuhalten. In ihm, dem Haupt seiner Familie, tritt zugleich auch der Priester seines Hauses uns entgegen. Seit Mose’s Zeit hat der Gottesdienst allerdings die gesetzliche Form gewonnen und wir können ja wohl sagen: der Gottesdienst der Patriarchenzeit steht uns näher als die gesetzlichen Ordnungen des Alten Bundes, obwohl wir auch in ihnen schöne Beziehungen auf den wahren Gottesdienst im Geist und in der Wahrheit finden können. Der Weihrauch, der im Heiligen auf goldner Schale fortwährend zu Gott emporstieg, sollte doch bedeuten die fortwährend zu Gott aufsteigenden Gebete der Gläubigen. – Gegen Ende der alttestamentlichen Zeit tritt uns dann der Synagogengottesdienst entgegen, eine besonders wichtige neue Einrichtung, die in freier Weise ohne sonderliches Gebot Gottes entstanden ist, indem in der Gefangenschaft im