Seite:Wilhelm Löhe - David und Salomo.pdf/80

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

sollen mit einander vorgehen und den jungen König unterstützen. Das ist auch ein Reichstag und eine Thronrede, aber was für eine! Da steht der alte König frei auf seinen Füßen und redet zu allem Volk, und an seiner Rede ist nichts von Schwachheit zu finden, er blüht jugendlich auf in seinem hohen Alter, der Leib ist alt, aber der Geist ist jung und kräftig. Er steht da in aller Herrlichkeit wie eine untergehende Sonne, die ihre Strahlen über das ganze Land ergießt. Was für ein Landtag! Da bettelt man nicht um Stimmenmehrheit, da müßen alle Gemüther einig werden zu dem göttlichen Werk und stimmt auch alles Volk dem großen König bei und ist noch einmal fröhlich im Schein seiner untergehenden Sonne, die freilich auch ihre Flecken hat, aber nun noch einmal leuchtet in voller Abendpracht, ehe sie untergeht ins Meer der Ewigkeit und der ewigen Freude.


2.

 Wenn der alte König seinem Sohn Salomo sein großes Reich und Werk einfach hinterlassen hätte ohne alles Mahnen, könnte man ihn tadeln? Ist Salomo nicht Nathans Liebling, der ihn für Gott erzogen hat, ja ist er nicht auch Gottes Liebling? Warum wäre er sonst Jedidja geheißen? Wer ist gediehen wie Salomo? Und nicht blos wohlgerathen, sondern auch reif ist Salomo. Er ist ein Weiser, bewandert in allen Zweigen göttlichen und menschlichen Wissens, ein rechter Sohn Davids und Zögling des Propheten Nathan. David hätte ihn als reif behandeln und die väterlichen Ermahnungen sparen können. Aber er thut’s nicht. Man merkt zwar, welche Freude es dem Vater ist, daß der Sohn so gerathen ist, aber er weiß auch, daß mit der Jugend noch nicht alles gewonnen und das Ziel des ewigen Lebens noch nicht erreicht ist. Es kann einer die Jugend glücklich hinter sich gebracht

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: David und Salomo. C. Bertelsmann, Gütersloh 1895, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_David_und_Salomo.pdf/80&oldid=- (Version vom 11.9.2016)