Seite:Wilhelm Löhe - Drei Bücher von der Kirche.pdf/135

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

schmale Weg solle nun bald breit werden, und dazu sollte ihr bald die Predigt, bald die Schule, bald die Seelsorge helfen. Ohne die Seelsorge, hieß es zuletzt, wird nichts ausgerichtet. Und da giengs denn in ein Laufen und Rennen und Seelsorgen hinein, daß man wohl sah, es müße bald, in ganz kurzer Frist die Erfahrung geliefert sein, daß auch damit der Weg nicht breit werde. Man vergaß, daß Predigt und Sacrament und Katechese, ja auch die Liturgie in Wahrheit und auf recht großartige Weise für die Seelen sorgen, und daß die Seelsorge der Einzelnen von dem guten Willen der Einzelnen, d. i. von der Frucht der Predigt, des Sacraments, der Katechese abhänge. – Dazu hatte man vergeßen, daß die Privatseelsorge eine große Tugend, Weisheit und Gabe voraussetze, daß nicht jeder, der sich Seelsorge vornimmt, auch gleich zu ihr geschickt sei. Durch Laufen, Rennen und Reden wird der Mangel an Weisheit nicht ersetzt, nicht der Mangel an Gabe und Tugend. Es wurden daher viele Fehler gemacht und der Zweck zum Theil durch Schuld der Seelsorger verfehlt.

.

 Vor allem aber übersah man das Centrum der Seelsorge, den Beichtstuhl. Seitdem man die Privatbeichte und die mit ihr verbundene Exploration, sammt der Privatabsolution nicht mehr übt, findet der Pfarrer nicht blos keinen feierlichen, stillen, abgeschiedenen, unverdächtigen Ort mehr für die Seelsorge, sondern auch keine unnahbare, heilige Stellung zum Beichtkind. Eben dadurch geht dem Seelsorger, wie dem rathsuchenden Beichtkind, die rechte Stimmung ab; keines kann sich dem andern mehr hingeben; einer lächelt fast den andern verlegen an, wenn sies versuchen, der eine, Gottes Wort für Eine Person zu theilen, der andere, ein Wort des Pfarrers als Gottes Wort für Eine Seele anzunehmen. Man erfährt, welch ein wichtiges Ding es ist, eine von Alters her fest stehende Anstalt, ein allgemein geachtetes Institut der Seelsorge zu haben. Man hat buchstäbelnd dem Institut die göttliche Begründung zu rauben versucht und nun geht auch den willigen Seelen der Zweifel an der Göttlichkeit gespenstig nach. Es hat nie eine größere Versündigung an der Seelsorge gegeben, als da man ungerechte Gewißensbedenken mancher, mit