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von ihren getreuen Seelsorgern Zeugnisse ihrer eigenen kirchlichen Treue und ihres Wandels geben zu laßen und sich in der Fremde bereit zu halten, denen Rechenschaft zu geben, die Grund fordern der Hoffnung und des Glaubens, der in ihnen ist. Ein solches Zeugnis ist nützer und nöthiger, als der obrigkeitliche Paß, mit dem sich doch jeder vernünftige Reisende versieht.

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 Schon aus dem, was bisher gesagt ist, geht hervor, daß das kirchliche Verhalten eines Pfarrers oder Pfarrkindes unter unseren elenden Umständen so leicht nicht ist. Es soll ein jeder nach möglichster Treue handeln. Er wird deshalb doch nicht dahin gelangen, daß Mistrauen oder böser Wille mit seinem Verfahren allezeit zufrieden ist. Es kann vorkommen, daß einem die Menschen vorwerfen, man mache zuweilen Ausnahmen, während man durchaus nichts vorhat, als der heiligen Regel getreu zu leben. Ueberhaupt ist im Leben eines Pfarrers und Seelsorgers kasuistische Klugheit und Weisheit eine Tugend der Tugenden. Vor dem Uneingeweihten und Unverständigen kann ein Pfarrersleben voll Widerspruch, voll Inconsequenz, voll Ausnahmen erscheinen, während vielleicht in jedem Fall nur das geschehen ist, was die heilige Regel verlangte. Man muß unverständige Urtheile tragen lernen. Man hätte viel zu thun, wenn man sich nur immer rechtfertigen wollte. Ich z. B., der ich mich so oft zu besinnen habe, ob ich einen Blöden, Geistes- oder Gemüthskranken, Dämonischen, von Fiebern u. s. w. Ergriffenen zu Gottes Tisch gehen laßen soll oder nicht, weiß, was das heißt, recht thun, und wie wenigen Menschen ich gerecht werden kann. Ich muß meine Last alleine tragen und auf die Barmherzigkeit des Erzhirten und Bischofs der Gemeinde rechnen. Daher fällt mir aber auch nicht ein, andere Seelsorger von bewährtem Grundsatz vor mein Gericht ziehen zu wollen. Darf ich

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Wilhelm Löhe: Gutachten in Sachen der Abendmahlsgemeinschaft. Verlag der C.H. Beck’schen Buchhandlung, Nördlingen 1863, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Gutachten_in_Sachen_Abendmahlsgemeinschaft.pdf/42&oldid=- (Version vom 1.8.2018)