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ihnen im allgemeinen trauen, so halte ich mich nicht befugt, auch auf das Gerede frommer Menschen hin, ihre Treue im einzelnen anzugreifen. Ja, wenn sie fehlen, vielleicht offenbar fehlen, so bin ich doch ungeneigt, streng zu urtheilen, weil alle fehlen, und zumal auf dem Gebiete der Abendmahlspraxis am leichtesten gefehlt werden kann. Es muß für treue und ehrliche Jünger der echt kirchlichen Lehre und Praxis dasselbige gefordert werden, was von ihnen gefordert wird: strenger Grundsatz, milde Ausführung.




 Nach alle dem darf zum Nutzen unserer gleichgesinnten Brüder und Schwestern nicht verschwiegen werden, daß es mit der Abendmahlszucht und Gemeinschaft doch immerhin etwas anderes ist, als mit der Lebenszucht; ich meine, daß man es strenger nehmen müße rücksichtlich des Meidens derjenigen, die in Ketzereien leben, weil man es strenger nehmen könne. Viele unserer Brüder haben rücksichtlich der Lebenszucht, welche von dem HErrn und seinen Aposteln befohlen ist, von den heutigen Pastoren dasselbe verlangt, was sie in Betreff der Ketzereien verlangen mußten. Allein bei dem treuesten Willen und brünstigsten Eifer eines Pfarrers in Sachen des Lebens und Wandels seiner Pfarrkinder ist es doch nicht zu läugnen, daß schon unsere elenden Gemeindeverhältnisse der Treue des Haushalters über Gottes Geheimnisse ganz außerordentliche Schwierigkeiten entgegenstellen. Kein Mensch übt mehr die Zucht der Liebe in der befohlenen Weise; es gibt keine Vermahnungsgrade, keinen Prozeß der Zucht, keinen öffentlichen Bann. Es kann das alles auch gar nicht geben, theils weil die Kirchenbehörden sich das Recht des Bannes anmaßen, zu dessen Ausübung ihnen nicht blos in dieser Zeit

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Wilhelm Löhe: Gutachten in Sachen der Abendmahlsgemeinschaft. Verlag der C.H. Beck’schen Buchhandlung, Nördlingen 1863, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Gutachten_in_Sachen_Abendmahlsgemeinschaft.pdf/43&oldid=- (Version vom 1.8.2018)