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Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers

3. nach einer solchen Scheidungsgeschichte,
4. bei einem solchen Ehescheidungsgrunde bekommen;“

als man sagen kann:

 „Ich traue dich nicht, denn

1. deine erste Ehe ist nach einem ungöttlichen Scheidungsgrunde,
2. und auch nach diesem nicht vor Gott richtig geschieden;
3. auch heirathest du ein Weib, die du nicht nehmen darfst, und
4. lebst und wandelst überhaupt so, daß du keine kirchliche Benediction empfangen kannst.“

 Uebrigens wollte ich in meinem Scheidungsbericht kein Kunstwerk liefern, studierte auch die Anordnung nicht, sondern schrieb, wie es mir zu Sinn und Muth war. Ich denke aber auch jetzt noch, daß die Anordnung, die ich gemacht habe, meiner damaligen inneren und äußeren Lage am besten entsprach und die natürlichste war. Im Anhange findet man auf S. 44 einen Auszug meines Weigerungsberichts abgedruckt. Aus ihm mag auch klar werden, ob ich irgend etwas ungehörig betont habe. Mir scheint es nicht so. Nro. 1 hat bei aller Kürze den stärksten Ton, Nro. 3 den geringsten; sollte Nro. 4 wirklich zu gering betont sein, so wurde doch im Verlauf der Verhandlungen der 4. Grund immer stärker hervorgehoben.

 Uebrigens geht es ja in solchen Fällen immer so. Niemand kann allen Anforderungen entsprechen. Einer tadelt den andern, wenn er einen Handel mit ihm hat; am Ende hat jeder Recht, und jeder auch Ursache zur Buße. Es ist doch gerade so auch mit dem Vorwurf, daß ich mich nicht hätte einfach weigern, sondern um Schonung bitten sollen. Ich konnte und durfte nicht trauen; das Kirchenregiment mußte auf die Trauung dringen, wenn es nicht Revision des Ehescheidungsproceßes fordern konnte, durfte oder wollte. Ich sah das so klar, daß ich mir sagte, das Kirchenregiment könne mich, selbst bei voller Anerkennung meines treuen Wollens und Strebens, das man hätte zugestehen dürfen, aus dem landeskirchlichen Organismus ganz entfernen, nicht blos suspendieren, da ich ihn mit einer der herkömmlichen Praxis entgegenstehenden Amtsführung gewissermaßen störte. Die Suspension, die auch in andern ähnlichen Fällen angewendet worden war, erschien mir zwar als hohes Unrecht im Lichte meines Verständnisses, vom Standpunkte des conservativen Kirchenregimentes aber als übergroße Schonung, um die ich,weder in meinem,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers. C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1862, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Meine_Suspension_im_Jahre_1860.pdf/27&oldid=- (Version vom 1.8.2018)