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Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers

ein Recht zum Einspruch in eine eheliche Verbindung zu, wenn der Mann derselben die Ehe versprochen hat, um mit ihr seine Lust zu büßen; wo dies (oft nur zufällig) nicht geschehen, erwächst kein eigentliches Recht. Eben damit aber berechtigt man die Hurerei und wird mitschuldig an allen ihren Folgen und Strafen. Es ist daher gewiss der einzige Grundsatz, welcher dem Volke Gottes geziemt, jeden unehelichen Umgang mit dem anderen Geschlechte mit dem Anspruch auf Verehelichung zu versehen, und nur der väterlichen Majestät Ausnahmsfälle vorzubehalten, wie es 2. Mos. 22. geschieht. Die Gemeinde in N.D. ist in diesem Sinne unterrichtet und geleitet worden, daher sie auch die Anwendung des göttlichen Ausspruches auf unseren Fall ganz wohl verstand. Den beßeren in ihrer Mitte war es gewiss empörend, wie mir, daß der Ehebrecher, wenn er ja wieder heirathen sollte, die Mutter seiner Kinder sitzen ließ und eine andere ehelichte. – Es ist freilich leider nicht möglich in Massenkirchen, wie unsere Landeskirche ist, die Stelle 2. Mos. 22. oder andere Grundsätze des göttlichen Wortes rein durchzuführen. Vielleicht darf ich einmal meinen Amtsbrüdern an einem anderen Orte die Schwierigkeiten vorlegen, welche ich für die Anwendung von 2. Mos. 22. erfahren habe. Diese Schwierigkeiten aber entbinden doch keinen Diener des göttlichen Wortes seiner Pflicht, bei hervortretenden Beispielen niederträchtiger Willkür dem Worte Gottes die volle Gerechtigkeit widerfahren zu laßen.

 Hiemit habe ich meinen Lesern meine vier Gründe der Trauungsweigerung vorgelegt. Wer sie würdigt, der wird auch die Anordnung und Reihenfolge derselben nicht geradezu verwerfen. Nach meinem Sinn gab Nro. 1 den Hauptgrund; Nro. 2 schloß sich dem ersten Grunde auf das innigste an; Nro. 3 stand zuletzt, weil es den ungeläufigsten und für diesen Fall allerdings geringsten Grund angab. Und Nro. 4 bildete die Basis, zeigte den Lebenslauf, aus welchem hervor die Werke der Finsternis wuchsen, um derentwillen die seelsorgende Liebe eines Pfarrers die ernste Gestalt annehmen mußte, die sie annahm. Ich gestehe gerne zu, daß man die Reihenfolge auch hätte umkehren können. Man kann eben so gut sagen: „Ich traue dich nicht, denn:

1. du kannst wegen deines kirchlichen und sittlichen Verhaltens überhaupt keine Benediction,
2. am wenigsten mit diesem Weibe,

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers. C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1862, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Meine_Suspension_im_Jahre_1860.pdf/26&oldid=- (Version vom 1.8.2018)