Seite:Wilhelm Löhe - Meine Suspension im Jahre 1860.pdf/34

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers

war alles verständlich für jedermann. Nunmehr aber, da der Bräutigam doch nicht getraut war, da er lange Zeit gar keine Miene machte, das Dimissorium zu benützen, da dasselbe umsonst gegeben, die Suspension umsonst geschehen schien, da sie nun endlich aufgehoben wurde, und das Kirchenregiment den Kirchenvorstehern ausdrücklich erklären ließ, es sei außer dieser Trauungsgeschichte (in der sich ja die Gemeinde zu Gunsten des Pfarrers erklärt hatte) keine Ursache zur Suspension vorhanden gewesen, verstanden viele durchaus nicht, warum der Pfarrer nun selber Umstände machte und sein Amt nicht wieder übernehmen wollte. Viele andere wußten freilich doch, um was es sich handelte, und man kann nicht sagen, daß man pur auf das Ende gewartet und weiter keinen Antheil an den Verhandlungen genommen hätte, die allerdings absichtlich in der tiefsten Stille geführt wurden, und nur durch den Vicar, die Kirchenvorsteher und andere hervorragende Männer in der Gemeinde bekannt wurden.

.

 Was ich mit diesen Verhandlungen gewollt habe, ist, glaube ich aus der Einleitung bereits vollkommen zu ersehen. Ich, der ich in drei Jahrzehenten die Ungunst der landeskirchlichen Verhältnisse für eine dem Worte Gottes getreue Amtsführung vielfach und oft recht schmerzlich erfahren hatte, und zwar bei mehrfachem Wechsel in dem kirchenregimentlichen Personale, so daß ich mit Händen greifen konnte, wie wenig Verbeßerung der Lage durch den Wechsel der Personen herbeigebracht werden konnte, – ich hatte wieder recht auffallend dasselbe erfahren, was früherhin. Ich wäre sehr gerne aus einem suspendierten Pfarrer ein Pastor emeritus geworden, ein ausgedienter, beiseitegesetzter, meinetwegen abgesetzter. Aber es handelte sich mir nicht um das Verlaßen eines landeskirchlichen Organismus, sondern um das Aufgeben meiner Gemeinde, von der Verbindung mit welcher ich hohe Begriffe hatte. Ich würde mir selbst wie ein Ehebrecher vorgekommen sein, wenn ich deswegen die mir angetraute Gemeinde hätte verlaßen wollen, weil ich bei redlichem und treuem Willen so manches Hindernis fand. Ich, der ich mich über das abscheuliche Meldungswesen, das unter uns eingerißen ist, und gegen das sich gar kein Gewißen mehr zu erheben scheint, so oft auf Grund der Heiligkeit der Verbindung eines Pfarrers mit seiner Gemeinde ausgesprochen hatte, mußte mich so viel und lang als möglich mit meiner Gemeinde leiden. Aber ich mußte es auch können, und dazu bedurfte ich nach der Suspension einer erneuten Stellung.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers. C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1862, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Meine_Suspension_im_Jahre_1860.pdf/34&oldid=- (Version vom 1.8.2018)