Seite:Wilhelm Löhe - Meine Suspension im Jahre 1860.pdf/39

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers

wäre, zur Einsicht zu gelangen, verleihen bei der Trägheit der Menschen und der Macht materieller Hindernisse die nöthige Kraft und Ausdauer nicht. Das habe ich bei den mancherlei Gedanken, die sich während meiner Suspensionszeit in meiner Umgebung regten, so kräftig gefühlt und mehrfach so nachdrücklich geäußert, daß ich hinlänglich Zeugnis davon aufbringen könnte. Wenn mich Gott dahin geführt hätte, daß ich mit gutem Gewißen mich der Landeskirche und in Folge davon der Gemeinde hätte begeben können und müßen; so würde ich die Entledigung mit Ruhe hingenommen, den Anstalten von Neuendettelsau die noch übrige Zeit und Kraft gewidmet, oder, wenn man das nicht geduldet hätte, mich mit Vergnügen in irgend einen Winkel zum ersehnten tieferen Studium der Schrift und der Geschichte zurückgezogen haben. Ein Agitator aber, ein Parteiführer und Separationshaupt zu werden, wäre mir nicht bloß nach meinem Herzen ein Greuel, sondern auch nach meiner Begabung eine Unmöglichkeit gewesen. Ich würde selbst gegangen sein, alle anderen aber beschwichtigt und angeleitet haben zuzuwarten, bis auch sie durch die Gewalt der Umstände hinausgeworfen und damit die göttliche Weisung empfangen würden, sich zusammenzuschließen.

 Hiemit könnte ich vielleicht schließen und jedem Leser überlaßen, von dem, was ich sagte zu denken und zu glauben, was ihm recht däucht. Da aber doch bei allem, was ich sagte, eine Gesinnung merkbar sein wird, die weder für die Staatskirchen, noch für die Separationskirchen begeistert ist; so erlaube ich mir zum Schluße das Folgende zu sagen, was vielleicht das rechte Licht auf mein ganzes Verhalten in der Suspensionszeit und allezeit wirft.




 Fürs erste steht es mir unverbrüchlich fest, daß es genug sei zu wahrer Einigkeit der Kirchen, daß das Wort Gottes rein und lauter gelehrt und die Sacramente nach der Einsetzung Jesu Christi verwaltet werden, wie unsere Väter 1530 zu Augsburg bekannten. Wie es daher zu wahrer Einigkeit der Kirchen nicht nöthig ist, gleiche Ceremonien fest zu halten, so ist es auch nicht nöthig zu wahrer Einigkeit der Kirchen, unter demselbigen Regiment oder nach gleicher Kirchenverfaßung zu leben. Wie die Ceremonien an dem einen Orte beßer

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers. C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1862, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Meine_Suspension_im_Jahre_1860.pdf/39&oldid=- (Version vom 1.8.2018)