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Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers

jüdischen, warf er es keineswegs weg, ließ die Möglichkeit offen, schien aber dabei doch mehr an die Rongeaner u. dgl. zu denken. Er führte dies Gespräch und ein vor demselben vorangehendes nicht etwa in der Aufregung, ist auch nicht durch irgend ein Wort zu ungezogenen Reden provociert worden, er sprach über die ganze Sache mit geringschätzendem Leichtsinn, zum Theil mit lachendem Munde. Als ich ihm sagte: „Seine Reden klängen, wie lauter Abschiedsreden,“ ließ ers gelten. Ob er nun gleich ein so leichtsinniger Mensch ist, daß ich ihn fähig halte zu irgend einem Zweck auch die entgegengesetzten Reden zu führen, wie er sich denn in einem vorausgehenden Gespräche dahin ausgesprochen hatte: „wenn ich es haben wolle, gehe er auch wieder zu Beichte und Abendmahl“, so ist doch seine von allen erkannte Grundstimmung die des Leichtsinns, und er wendet die ihm verliehenen Verstandesgaben nur dazu an, seine Zwecke auf die eine oder andere Weise zu erreichen; es scheint ihm am Heile seiner armen Seele gar nichts zu liegen. Darüber werden alle christlichen Leute in der Gemeinde einig sein. Es ist daher dieser Fall ein eclatanter. Solche Dinge, wie neulich der N. N., sind Kleinigkeiten, die auf die Gemüther der Gemeinde keinen Einfluß haben. Nun aber handelte es sich um einen für die Gemeinde höchst wichtigen Fall, und ohne Zweifel werden viele in der Gemeinde gespannt sein, die Entwickelung zu sehen, und je nachdem sie ausfällt, wird Sinn und Lust für das göttliche Wort gestärkt oder geschwächt werden.

 Daher hat der Unterzeichnete alle Treue zu leisten. Man würde es leicht dahin bringen können, daß sich N. N. mit einem Dimissoriale anderwärts trauen ließe; allein der Unterzeichnete würde in einem solchen Falle nie ein Dimissoriale ausstellen. Es würde ihm auch in diesem Falle gar nichts helfen, da er ja doch den N. N. und seine Frau zu Beichtkindern hätte und bei einem jeden Versuch zu einer Meldung zum hl. Abendmahle immer wieder in den Fall käme, das hl. Abendmahl bis zu eintretender wirklicher Buße zu verweigern und dadurch in den vollen Kampf gegen einen unchristlichen Mann zu gehen.

 Der gehorsamst Unterzeichnete hat dem N. N. versprochen, alles dazu beizutragen, daß er nicht aufgehalten werde.

 Dies geschieht durch die schnelle Berichterstattung, die hiemit erfolgt ist.

 Es ist dem gehorsamst Unterzeichneten bekannt, wie in ähnlichen

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers. C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1862, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Meine_Suspension_im_Jahre_1860.pdf/51&oldid=- (Version vom 1.8.2018)