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Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers

 Die N. N. bringt ihm nemlich nach den Acten 250 fl. zu, in Wahrheit soll es nicht einmal so viel sein.

 Schon dieser Grund Nr. 3 würde dem gehorsamst Unterzeichneten es sehr erschweren und fast unmöglich machen, dem N. N. zu seiner neuen Ehe die Hand aufzulegen.

 Landpfarrer wißen es am besten, wie sehr das Volk durch Nichtbeachtung der angeführten Bibelstelle, die man weder ceremonial-, noch polizeigesetzlich nennen kann, demoralisiert wird. Kann der Staat auch Grundsätze, wie die 2. Mose 22, 16. unter den gegenwärtigen Umständen sich nicht aneignen, so darf sich doch die Kirche von dem Worte ihres Gottes nicht entbinden.




 Die Weigerungsgründe Nr. 1 und 3 haben für den Unterzeichneten an und für sich selber eine große Stärke. Sie gewinnen aber sammt dem Nr. 2 unter den gegebenen Verhältnissen noch weit größeren Nachdruck. N. N. ist nemlich ein Mensch, der seit vielen Jahren nicht mehr zur Kirche und zu Gottes Tisch geht, weil er früherhin seiner Liederlichkeit wegen, insonderheit seiner Völlerei wegen von dem Unterzeichneten öfters ermahnt wurde. Der letzten Ermahnung seines Wandels halber entzog er sich dadurch, daß er sich entfernte. Er ist ein ganz gewöhnlicher Sacramentsverächter, der von seinem Leben ebensowenig Hehl macht, als er sich beßert, der auch frank und frech vor seinem Pfarrer sagen kann, daß ihm am Christenthum nichts liege. Er erklärte gestern bei Uebergabe seiner Traulicenz ungeniert,

 1. daß ihm an der Trauung gar nichts liege, seine Ehe werde nicht bei dem Versprechen vor dem Altar angefangen, sondern sei angefangen (er wollte ganz offenbar sagen: vollzogen) worden, wie er sich mit seiner Braut persönlich versprochen habe; wenn er nur ungehindert mit ihr leben könne, sei es ihm gleich, ob er eingesegnet werden könne oder nicht.

 2. Er erklärte ferner, ich würde gewiss noch sehen, daß er von der christlichen Kirche austrete. Als ich ihn fragte, ob ihm am Christenthum gar nichts liege, führte er lauter Reden, die nach seiner Absicht nichts sagen sollten, als daß ihm nichts daran liege. Als ich ihn fragte, zu welcher Religion er denn übertreten wolle, ob etwa zu der

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers. C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1862, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Meine_Suspension_im_Jahre_1860.pdf/50&oldid=- (Version vom 1.8.2018)