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Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers

 Es ist wahr, daß das Weib nicht hier bei ihrem Manne, sondern bei den Ihrigen in N. N. eine Stunde von hier ihre letzten Jahre zubrachte, und das ist ja die Veranlaßung, von welcher die Rede ist. Allein es ist auch wahr, daß N. N. sie so behandelte, daß sie kaum bei ihm bleiben konnte. – – – Er wußte es anzustellen, daß ihm das Weib vom Hause blieb, und ist sich in seinem Benehmen gegen sie allezeit treu geblieben. Würde ich ihn nun trauen, so würde mein Verhalten den schlimmsten Eindruck auf die Gemeinde machen und bei den obwaltenden Umständen von der Gemeinde, jedenfalls aber von deren beßerem Theil gar nicht begriffen werden, da ihn gewiss kein Mensch für unschuldig hält, sondern im Gegentheil für den eigentlich schuldigen Theil. Ich weiß, daß dieser Weigerungsgrund ohne den ersten keinen Halt hätte; aber in Verbindung mit dem ersten hat er Kraft, zumal es meine Pflicht ist, allewege so zu handeln, daß meine Gemeinde nicht bloß zwischen meinem Verhalten und dem göttlichen Worte, sondern auch zwischen ihm und der von demselben geforderten Führung der Seelen keinen Widerspruch erkenne.

3. Wollte man annehmen, daß dem N. N. die Wiederverehelichung zu gestatten sei, was doch von dem Standpunkte des göttlichen Wortes nicht zugegeben werden kann; so müste er die Frauensperson ehelichen, von der er indeßen zwei Kinder erzeugt hat, die ihm auch keinen Grund gab, von ihr abzulaßen. Hätte er Grund gehabt, so würde er es im Gespräch mit dem Unterzeichneten geäußert haben. Er müste es thun kraft des Wortes Gottes 2. Mose 22, 16:

Wenn jemand eine Jungfrau beredet, die noch nicht vertrauet ist, und beschläft sie, der soll ihr geben ihre Morgengabe und sie zum Weibe haben.[“]

 Die Gemeinde Neuendettelsau kennt diesen Spruch, mein seelsorgerisches Handeln wurde in vielen Fällen nach demselben geregelt; in dem N.N.’schen Falle findet er desto mehr Anwendung, weil die zu Falle gebrachte, welche N. N. nun sitzen läßt, keine Aeltern mehr hat, also auch keinen Vater, der nach

Vers 17 desselbigen Capitels

gegen die Verehelichung hätte einen Einspruch machen können. N. N. hat vor dem Pfarramte mit der ihm eigenen Leichtfertigkeit erklärt, er könne sich mit dieser nicht verehelichen, weil er Geld brauche.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers. C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1862, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Meine_Suspension_im_Jahre_1860.pdf/49&oldid=- (Version vom 1.8.2018)