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Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers

Widerwärtigen sehr gestärkt worden war. Ich konnte nicht wißen, ob mir nicht fortan die Amtsführung viel schwerer gemacht werden würde, als früher, und wäre überhaupt am liebsten gar nicht mehr Pfarrer gewesen. Die Verbindung mit der Gemeinde ND., die ich für eine göttliche halte, trieb mich jedoch an, alles mögliche zu thun, um dennoch fernerhin ihr Pfarrer bleiben zu können; dazu aber schien mir ein doppeltes durchaus nöthig zu sein, nemlich erstens, daß auf den zu trauenden Bräutigam, und zweitens auf die ihm angeschloßene Gegenpartei durch die kirchlichen Behörden selber entsprechend eingewirkt würde. Weder der Bräutigam noch seine Partei durfte fernerhin dem Pfarrer im Bewußtsein eines Sieges gegenüber treten, dem Bräutigam mußte sein Unrecht, ihm und seiner Partei aber bezeugt werden, daß die Behörden, abgesehen von dem Trauungsfalle, Treue und Amtsführung des Pfarrers anerkennen. Blieb dann immerhin über dem Trauungsfall selbst eine Wolke, wie das im Falle selbst lag; so war doch der Gegenpartei der Wahn genommen, als stünden die Behörden hinter ihr, und als dürfte sie sich bei ihrem sündlichen Widerstreben gegen das Wort und die Führung ihres Pfarrers des Wohlgefallens und Schutzes der Obern getrösten. Bis mir nun wenigstens so viel, als ich für meine Stellung innerhalb der Gemeinde und die seelsorgerische Behandlung der Gegenpartei nöthig hatte, gegeben war, dauerte es noch einige Wochen. Ich hatte überdies zur Verzögerung, ohne es zu wollen, durch unklare Darstellung meines Verlangens und unrichtige Auffaßung der Worte der Oberen Veranlaßung gegeben. Als ich aber hatte, was ich bedurfte, erklärte ich mich willig und bereit, unter Vorbehalt meiner kirchlichen Ueberzeugungen, die Amtsfunktionen wieder zu übernehmen, wie sie mir denn auch am 17. Sept. 1860 wieder überlaßen wurden, nach Ablauf zweier Monate. – Das zweite Stadium des Verlaufs war für mich mühevoller, als das erste. Der Zweck der Verhandlungen war weniger kenntlich, weil er im Grunde nur aus meiner Lage heraus recht gefaßt werden konnte, es aber für die meisten schwer, vielleicht auch für manchen nicht recht möglich war, sich in meine Lage hinein zu denken oder zu versetzen auch wenn er wollte.




 Der vorausstehende Ueberblick über den Gang der Sache möge als Einleitung dienen, die nachfolgenden Erörterungen aber dem Leser zeigen, wie schwer es zuweilen einem landeskirchlichen Pfarrer, bei dem

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Meine Suspension im Jahre 1860. Acht Wochen aus dem Leben eines Landeskirchlichen Pfarrers. C. H. Beck’sche Buchhandlung, Nördlingen 1862, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Meine_Suspension_im_Jahre_1860.pdf/7&oldid=- (Version vom 1.8.2018)