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HErr mit dem Lichte Seiner Gnade in die Nacht der Herzen scheint, und sie zu Lichtkindern umgewandelt werden, dann verliert zuerst die ganze Welt ihren Glanz und Wert, und man sieht nichts, als Ihn, nur Ihn, der einem das Herz dahinnimmt in Seiner Liebe! Es ist, als wäre nur ER, – als wäre kein Himmel und keine Erde, keine Kirche und keine Welt, ER ist dann alles! – Selig das Herz, das in Seinem Anschauen alle Liebe und alles Gedächtnis für die Welt verliert, und nur eine Leidenschaft behält, nämlich Ihn, den Gekreuzigten, nur Ihn!

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 Und doch, geliebte Seelen, ist ein Herz noch seliger! Wenn die Sonne aufgeht am Morgenhimmel, und ihr mit herzlichem Wohlgefallen ihr ins Angesicht schaut, welches Gott mit leuchtender Strahlenpracht geziert hat, und ihr schaut dann hinweg, dann geht es euch wie Paulus, ihr seht nichts als Sonnen, und die Welt, für welche diese Sonne aufgegangen ist, die seht ihr nicht mehr. Wie aber dann euer Auge geblendet ist und ihr nur dann ein gesundes Auge habt, wenn ihr die Sonne am Himmel und in ihren Strahlen die ganze Welt zu erkennen und zu unterscheiden vermöget, so war Paulus auch noch nicht am Ziele, als er die Sonne des Geistes gesehen, und ihm darob sein irdisches Auge erloschen war, sondern dann war er und seine Seele genesen, als unter Handauflegung Ananiä die Schuppen von seinen Augen fielen, und er im Lichte seiner Sonne die Welt ansah, alle Dinge nach dem HErrn und Seinem Sinn beurteilte und ihnen Wert beimaß und absprach, je nachdem sie zu Seinem Reiche dienen. Da war er vor Pniel übergegangen, denn die Sonne ist auf Erden nicht da, daß man allein sie anschaue und erblinde, sondern daß man in ihrem Schein sich freue und den Schöpfer in Seinen Werken lobe! Zuvor war einem Christus ein und alles, nun ist ER das Eine in allem geworden! ER ist einem lieber als alles, aber weil alle Dinge zu Seinen Ehren geschaffen sind und durch Sein Blut gereinigt, so fürchtet man sich, zu verachten, was der HErr ehrt! Man liebt Seine Kirche, man freut sich des Himmels, des ewigen Hauses, und der Erde, des Hauses der Vergänglichkeit,