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seiner Kirche. Es handelt sich doch immerhin um nichts anders, als entweder um die größte Gottesthat des HErrn, die sich immer neu vollendet, oder um ein zwar von Gott befohlenes, aber im Grunde doch nur menschliches, sei es auch geringer oder größer aufgefaßtes Gedächtnismahl. Je nachdem ichs nehme, hat die Gemeinde im Abendmahle viel oder wenig, und wenn ich darum streite, streite ich nicht um eine pure Lehre, sondern um den heiligsten Besitz und um das größte Wunder und Geheimnis der Kirche Neuen Testamentes. – Aehnlich ist es mit den andern Confessionsunterschieden. Die Confessionen streiten nicht um Kleines; was Kirchen dauernd scheiden konnte, muß selbst von größter Wichtigkeit sein und ist es auch. – Ob sichs aber auch nur von einem kleinen Gottesworte, von einer anscheinend geringen Lehre handelte: liegt ihrethalben die Wahrheit in Gottes Wort kenntlich zu Tage, so ist auch das Kleine groß, so wie darum gestritten wird. Wird ein klein Wörtlein Gottes von etlichen verworfen, so müßen es die anderen bekennen. Wer ihm sein Bekenntnis entzieht, entzieht es Christo, deshalb muß man, gelte es Leiden oder nicht, sich ohne falsche Schaam zum Kleinen wie zum Großen bekennen. Oder ists nicht so? Wie? Wenn man Gott in einem kleinen Worte widerstrebte, könnte man nicht auch hiedurch – und um deswillen, was mit dem kleinen Worte zusammenhängt, d. i. um des Ganzen willen, von dem das Wort ein Theil ist, – in Seelengefahr kommen? Gewis! Es bleibt dabei, kein Gotteswort, keine Gotteslehre darf für klein geachtet werden, so wie sie in die öffentliche Frage kommen, sowie sie Lebensfragen werden. Es haben dann alle Christen die Pflicht, zu forschen, zu erkennen, zu bekennen, auf die Seite der Wahrheit zu treten. Es entstehen dann aber auch durch Schuld der Hartnäckigen und der Wahrheit Ungehorsamen jene διχοστασίαι (Zwistigkeiten) 1. Cor. 3, 3, welche jeder Christ für sich und jeder Hirte für sich und für seine Heerde vermeiden sollen, auf daß wir nicht in die Gefahr kommen, fleischlich zu werden. Da müßen alle treuen Knechte Gottes sich zu Vermeidung und Unterdrückung jeder falschen Lehre die Hände reichen und das um so mehr, als nicht bloß ein wenig Sauerteig der Lehre den ganzen Sauerteig versäuern und auf die ganze Lehre Einfluß haben kann, sondern auch jede falsche, wie jede rechte Lehre ihren Einfluß aufs Leben, auf die Heiligung, jede ihre Praxis hat und ihren Anhängern einen eigenen Character aufprägt.

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 Es gibt in der Welt Sätze, die wenige bezweifeln, die aber nicht bloß nicht bezweifelt, sondern gewogen und erwogen werden müßen, um in ihrer Kraft und Bedeutung erkannt zu werden. Zu diesen Sätzen gehört auch der von der Nothwendigkeit der Lehreinigkeit innerhalb einer Confessionskirche. Wenn der Verf. diese Ueberzeugung nicht hätte, so würde es ihm nicht in den Sinn gekommen sein, in diesen Blättern nach dem Verderben der Maßen die mangelnde Lehreinigkeit als ein die Pfarrer der bayerischen Landeskirche (vielleicht oder gewis auch anderer Landeskirchen) schwer belastendes Uebel zu nennen. Die beiden Uebel hängen genau zusammen. Lehreinigkeit ist der Kirche nöthig zu aller Einigkeit. Ohne Lehreinigkeit keine Einigkeit, ohne Einigkeit keine Gemeinschaft (wie sollte es möglich sein?), auch keine Gemeinschaft der Heiligen, kein Bestand einer

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/29&oldid=- (Version vom 15.5.2019)