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2.
Die Petition und die Generalsynode.


 Nachdem also der Vorschlag beruhte, wäre es wenigstens mir recht angenehm gewesen, wenn wir dem Verlauf der Zeit in völliger Stille hätten zusehen dürfen. Allein sowie wir den Blick wieder in die Abschn. I. geschilderten wirklichen Zustände kehrten, fühlten wir den alten Jammer und fanden es ganz der Mühe werth, nach Beßerung zu ringen. Man hätte sich freilich den Kampf ersparen können, wenn man z. B. nach Nordamerica gegangen wäre. Allein der Schreiber dieses kann aufrichtig versichern, daß er niemals Lust gehabt hat, in Nordamerica ein Amt zu suchen. Es ist und bleibt sein Wunsch, nach geschloßenem Lauf in fränkischer Erde zu ruhen. Ueberdies fühlt er sich an seine Gemeinde durch die Art und Weise, wie ihn Gott zu ihr geführt, so gebunden, daß es ihm etwas sehr Schweres sein würde, das Band nur so ohne Weiteres selbst zu lösen und nach Nordamerica zu gehen. Ich konnte und kann einen Rath der Art nicht brauchen. Ich will, wenn Gott, der HErr, durch Seine große Gnade die Verhältnisse der Landeskirche beßert, gern an dem Orte bleiben, wo ich bin; – erhört Er aber unser sehnliches Rufen nicht und segnet Er in Ihm begonnenes Wirken und Ringen nach dem Ihm selber wohlgefälligen Ziele nicht, nun ja, dann tritt freilich eine Nöthigung zu gehen ein, welche von derselben Hand kommt, welche Pfarrer zu Gemeinden führt. Ehe wir aber das Aeußerste thun, wollten und wollen wir allerdings ums Bleiben kämpfen und mit unserer geringen Kraft nach Beßerung ringen.

 Im Laufe des Jahres 1848 und zu Ende desselben hatten sich die Sachen so gestaltet, daß an eine freiwillige Ausscheidung der verderbten Massen aus der Landeskirche auch in den Städten nicht mehr zu denken war. Eine Reconstruction der Kirche nach Christi Sinn trat damit natürlich in den Hintergrund. Desto leichter konnte es gelingen, noch einmal alles zusammenzuleimen und die vorhandenen Riße zu verkeilen und zu vermörteln. Daß der Wille zu Letzterem vorhanden war, ist auch im gedruckten Vorschlag p. 10. schon erkannt. War es doch die Meinung vieler und zwar gar nicht der unbedeutendsten Stimmen, daß man am besten thun würde, in dieser Zeit die Bekenntnisfrage gar nicht zur Besprechung zu bringen. Am allerwenigsten aber sollte die Bekenntnisfrage im Sinne der Zucht vorkommen. Bei den Landgemeinden konnte man es indes mit erneuter Feststellung des Bekenntnisses noch wagen, so verderbt sie waren; ja, der einfache Gerechtigkeitssinn des Landmannes hätte auch nichts eingewendet, wenn man die Bekenntnisfrage im Sinne der Zucht aufgeworfen und den Grundsatz ausgesprochen hätte, daß niemand in der Landeskirche und in ihrem Amte bleiben könne, der wider die Bekenntnisse lehre. Die Massen auf dem Lande sind trotz des unter ihnen herrschenden übeln Sinnes nicht so gelenk und gewandt, daß sie schon jetzt gelernt hätten, ihrem sei es theoretischen oder praktischen Unglauben ein Recht zu bestehen aus den im Staate

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/60&oldid=- (Version vom 18.5.2019)