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und rufe den an, der die Todten auferweckt! Wo man nicht bekennen kann, wie die Väter, lebt man nicht, wie die Väter: hie hilft kein Recht zu leben, wohl aber Buße und Glaube. Ich weiß, daß einzelne und nicht wenige einzelne bereits wieder leben, ich hoffe auch, zu ihnen zu gehören; aber das, was man bayerische Landeskirche nennt, lebt als Kirche noch nicht wieder, dazu fehlen die positiven und negativen Lebenszeugnisse, nemlich Einheit in der Wahrheit und in Verwerfung des Gegentheils. Nicht vom Recht, zu leben, vom Leben selbst haben wir geredet. Das todte Recht gehörte zunächst nur uns, die wir bereits wieder leben und uns zunächst sollte es zur lebendigen bayerisch-lutherischen Kirche vereinigen. – Uebrigens wenn denn die ganze Sache mit dem bloßen Rechte abgethan sein soll; so laßt uns einmal eine Gegenfrage thun. Durch welchen Act, durch welche Urkunde ist die bayerische Landeskirche als lutherisch erklärt? Heißt denn nicht wirklich diese Landeskirche im Religionsedikt, wie Dr. Fikenscher sagt, blos eine „protestantische Gesammtgemeinde“? Und wenn gleich innerhalb dieser bayerischen Gesammtgemeinde zwei Bekenntnisse verfaßungsmäßig stehen,[1] ist sie nicht doch genau genommen als Eine Kirche verschiedener Bekenntnisse hingestellt? Hat denn nicht auch der Abgeordnete Bucher ganz recht gehabt, wenn er es so nahm, wie es verfaßungsmäßig ist? Angenommen, man wollte von oben her uniren und könnte es noch, ließen sich diese verfaßungsmäßigen Bestimmungen nicht ganz wohl zu einer Union misbrauchen? Stimmten nicht alle Combinationen vom Oberconsistorium bis herab zur Pfarrei dazu? Wo sind da Garantieen für eine lutherische Kirche – namentlich in dieser Zeit, wo man ganz wohl gelernt hat, die Leute verschiedener Confessionen zu Einem Kirchenganzen zu versammeln? Wenn nun dazu die Kirche, wie gegenwärtig die bayerische, faktisch nicht auf dem Bekenntnisse ruht – als Ganzes nemlich, wenn die Garantie des Lebens fehlt, wie die des Rechtes? Wie dann? Man könnte Kraußolds pathetische Fragen im entgegengesetzten Sinne parodiren, und unter solchen Umständen glaub ich nicht, daß eine so besorgte Sprache, wie ich hier geführt, dem christlichen Juristen, dem Theologen, dem Pfarrer nicht gezieme.

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  Möglich, daß bei Abfaßung des Religionsedikts dergleichen Dinge ganz zufällig und ohne feindselige Absicht kamen, aber es steht nun eben doch so – und eine Garantie gibt das nicht. Was nicht ist, kann werden; was ohne Absicht geschrieben ist, kann mit Absicht festgehalten und erweitert werden. Es steht im Edikt auch vom Summepiscopat des römisch-katholischen Fürsten nichts Ausdrückliches (wiewohl man es im Edikt über die innern kirchlichen Angelegenheiten §. 1. doch finden kann) und doch ist es da, unsre Dienstesinstruktion verpflichtet uns, es aufrecht erhalten zu helfen und alle Verhältnisse überzeugen uns, daß wir bisher unsern König zum obersten Bischof gehabt haben. Wie nun die bayerische Kirche ein Summepiscopat hat, das in der Verfaßung nicht mit Namen genannt ist; so könnte sie zwar auch, wenn sies wäre, lutherisch sein, ohne daß es in der Verfaßung


  1. Es ist sogar von den Confessionen als „öffentlichen Kirchengesellschaften mit gleichen bürgerlichen und politischen Rechten“ die Rede und dann doch von Einer Gesammtgemeinde unter Einer Leitung und Verfaßung. Der nähere Nachweis des besorglichen Widerspruchs und seiner Quellen ist den Juristen zu überlaßen.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Unsere kirchliche Lage im protestantischen Bayern. Verlag der C.H. Beck'schen Buchhandlung, Nördlingen 1850, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6he_-_Unsere_kirchliche_Lage_im_protestantischen_Bayern.pdf/76&oldid=- (Version vom 1.8.2018)