Seite:Wilhelm Löhe - Zum Gedächtnis meines Pathenkindes Lorenz Wilh. Friedr. August Kündinger.pdf/19

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nichts mehr zu thun war, daß er nun sterben mußte, wenn er sich nicht selbst überleben sollte. Nun ist zwar August gar zu jung gewesen, als daß ich dies Gefühl: „Es ist genug, so nimm, HErr, seinen Geist!“ gerade in dieser Form in mir hätte tragen können. Aber ob er nicht zu den Jünglingen gehörte, deren Anlage sich hier auf Erden nicht recht entwickeln kann, – die sterben, die in die Schule der Ewigkeit gehen müßen, wenn ihre Entwickelung und Vollendung so recht zu ihres Schöpfers Preis gedeihen soll! Mancher Knabe, mancher Jüngling gleicht einer vortrefflichen Uhr, welche doch nicht geht, weil der Künstler eine verborgene Feder angebracht hat, welche ihren Gang hindert. Der Knabe, der Jüngling stirbt, – die Feder fällt heraus – und in munterem Gang geht nun das edle Werk von Ewigkeit zu Ewigkeit. – Ich kann mich irren, wenn ich dies in unserem Fall anwende. Verkennet auf alle Fälle meine Absicht zu trösten nicht.

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 Ein anderer Klaggrund war oben das Plötzliche im Tode Augusts. Allein meine Freunde, es ist hier wie eine Wage. In der einen Schale liegen Klaggründe, in der andern Trostgründe. Es ist wahr, ein plötzliches Sterben hat etwas Schauderhaftes; aber wen Gott plötzlich angreift, um ihn zu töden, in dem kann Gottes guter Geist, der alles vermag, auch in einer Schnelligkeit, so plötzlich den Entschluß der Absage, der Umkehr, der gläubigen Hingabe in die Hände des treuen Schöpfers und Erlösers wirken. Oder kann er nicht? Ist die plötzliche Wendung einer Seele zum HErrn seltener als ein plötzlicher Tod? Ist nicht beides Ausnahme – und am Ende keine von beiden seltener als die andere? Man sagt, es gehe alles einen Gang der Entwickelung und heut zu Tage ist ein entgegengesetzter Gedanke ganz ungeläufig. Aber wenn auch, kann nicht in der jedenfalls geheimnisvollen Entwickelung einer Menschenseele die selige Entscheidung für den Himmel mit einem plötzlichen Todesaugenblicke zusammentreffen? –