Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 1 (2. Auflage).pdf/318

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innerem Gefühle so übermannt, daß er das Haupt auf den Katheder beugen mußte und laut einige Secunden schluchzte. – Welch’ eine Einleitung in ein Collegium! So hat wohl noch keiner gelesen: sein ehrwürdig Haupt, seine salbungsreichen Vorträge, seine Mannheit, seine Kämpfe gegen Außen, sein heiliges Leben – alle diese Erinnerungen waren mir Einleitung genug. Nun aber diese Thränen und unter Thränen die demüthigsten Selbstbekenntnisse über die äußere und innere Führung seines Geistes zu diesem Stand, auf dem er jetzt steht und von vielen so sehr gelästert wird, – die Beschreibung von seiner Entfremdung vom wahren Leben in Gott und Christo, sein Glaubenskampf, der ja keinem erspart wird, seine Seligkeit nun, der Friede, von dem Niemand wisse, außer wer ihn empfangen habe, – sein Gebet: „Herr, Du hast mich erlöset, Du treuer Gott!“ – sein „Amen!“ unter Freudenthränen, wie ich’s nie gehört –, daß Alles Dir nur gleich geschrieben stände! –

 Das war ein Collegium, nach dem ich ihm nicht heimfolgen mochte. Wir giengen Alle aus dem Auditorium, Keiner konnte den Andern fragen: Was meinst Du?

 Nach einem solchen Kampf und solchen Erfahrungen im geistlichen Leben muß man Dogmatik lesen. Diese andern glaubenslosen Professoren – ich habe keinen Begriff mehr, wie die noch Dogmatik lesen können. Wer so geführt worden ist, den will ich hören, der redet, was er erfahren hat und so am gewissesten weiß.

W. Löhe.