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Bildungsmittel des Volks. In dieser Hochschätzung beirrte ihn auch die Wahrnehmung des Misbrauchs nicht, der hie und da mit der Privatbeichte getrieben wurde. Er wußte und erfuhr, wie sie zuweilen zu einem Gaukelspiel voll Trug und Heuchelei, zu einem Tummelplatz der Leidenschaften erniedrigt wurde – und empfahl sie dennoch nach dem alten Grundsatz: ,Abusus non tollit usum.‘ Er empfahl sie und wurde Empfehlens nicht müde, obwol bei dem – namentlich seit Gründung der Diakonissenanstalt – sich immer mehrenden Zudrang von Beichtenden seine physischen Kräfte oft kaum mehr ausreichen wollten, um dem Bedürfnis der Absolution und Seelenrat begehrenden Beichtkinder zu genügen. Unter allen Thätigkeiten des Pfarrers – pflegte er oft zu sagen – kenne er keine abspannendere und ermüdendere, als die des Beichthörens. Der Samstag vor dem dritten von drei auf einander folgenden Sonntagen, dem regelmäßigen Communiontag der Dorfgemeinde, war von Morgens 10 Uhr an dem Beichthören gewidmet. Vor Beginn seiner eigenen beichtväterlichen Thätigkeit pflegte Löhe an solchen Sonnabenden selbst privatim zu beichten und die Absolution zu empfangen.

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 Ebenfalls alle drei Wochen – doch nicht an demselben Sonntag wie im Dorfe – wurde auch im Diakonissenhause große Communion gehalten. Hier war die Zahl der Beichtenden und der Anspruch an Löhe’s seelsorgerlichen Dienst noch ohne Vergleich größer, als in der Dorfgemeinde. Der Samstag reichte da nicht aus die Menge der Beichtenden abzufertigen, obwol Löhe vom Vormittag an bis tief in den Abend Beichte stand; er mußte oft schon am Mittwoch vor dem Abendmahlssonntag mit dem Beichtehören beginnen. Was er als Beichtvater war, wissen nur diejenigen zu würdigen, die davon die Erfahrung an ihrer eigenen Seele gemacht haben. Welche

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/169&oldid=- (Version vom 1.8.2018)