Seite:Wilhelm Löhes Leben Band 2.pdf/253

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ergriff, die volle Nüchternheit des christlichen und pastoralen Urteils. Nicht als ob er unempfindlich gewesen wäre für das Sehnen und Streben der Nation, aber seine innere und äußere Stellung brachte es mit sich, daß er jene Bewegung vor allem am Richtmaß des Wortes Gottes und nach ihren Folgen für das Reich Gottes beurteilte. Durch die Stimmen des Bezirks Petersaurach wurde er nebst drei andern am 25. April zum Wahlmann ernannt und wirkte als solcher am 28. April in Ansbach bei der Wahl eines Abgeordneten zum deutschen Parlament in Frankfurt mit. Nach der am 25. April in Petersaurach auf ihn gefallenen Wahl überreichte ihm eine Deputation einen Ehrenstrauß. Er gesteht in seinem Tagebuche, daß ihm die auf ihn gefallene Wahl ein wenig Vergnügen machte. Aber so sehr fühlte er sich als Pfarrer, daß ihm des andern Tages der Wunsch etlicher Gemeindeglieder, daß er doch nicht nach Frankfurt gewählt werden möchte, sofort wieder die Unverträglichkeit activer Betheiligung an der Politik mit seinen Amtspflichten zum Bewußtsein brachte. Später findet sich in seinem Tagebuche noch eine Andeutung, daß er in den Dörfern seiner Pfarrei für Sammlung von Beiträgen für die deutsche Flotte thätig war. Aber diese hie und da sich regenden nationalen Sympathien kühlten sich rasch ab, als im weiteren Verlauf der Bewegung die eigentlichen Motive und Ziele derselben sich bloßlegten. Schon am 26. April schreibt er in sein Tagebuch: „Was für eine Zusammensetzung des Parlamentes gibt es. Lieber Gott! Es ist, scheint mir, ganz gut, gar nichts, am wenigsten für die Kirche, von diesem corpus zu hoffen.“ Zwar verkannte er keineswegs den Wert mancher durch jene große Bewegung geschaffenen Neugestaltungen des politischen Lebens. Die Aufhebung des lästigen polizeilichen Bevormundungssystems, die Proclamation der Freiheit der Culte etc. galten ihm als schätzenswerte

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/253&oldid=- (Version vom 1.8.2018)