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Aber welche Natur wollte dem Tode gewachsen sein, und welches Mittel wäre erfunden, das Wort Dessen rückgängig zu machen, von welchem geschrieben steht: „Du lässest aus Deinen Odem, so werden sie geschaffen; du nimmst weg ihren Odem, so vergehen sie und werden wieder zu Staub“, Ps. 104. 30. 29. – Ein harter Kampf gieng einem leichten Siege voran. Hätte sein Vater nicht eben seine Blicke voll Sehnsucht in die lichten, auch da noch glänzenden Augen des Kindes eingesenkt, so wäre vielleicht sein Ausgang aus der Zeit ganz unbemerkt geblieben. Der schauende Vater aber bemerkte ein eigentümliches Zittern des Auges und dann ein Stillestehen desselben und zugleich des Athems. Kaum daß noch vergönnt war, die letzten Segnungen über dem Davoneilenden zu sprechen! Man hatte Zeit gehabt, sich auf den Abschied zu bereiten, und nun kam er dennoch überraschend schnell. Das Leben des Kindes floh wie ein süßer Traum dahin! –

 Es war der Feierabend der vergangenen Woche, Abends wenige Minuten vor 6 Uhr, als das Leiden des Kindes und die Hausuhr im Pfarrhause stehen blieb, dagegen aber Freuden an dem Kinde offenbart wurden, welche nicht wie Leiden dieser Welt nach Stunden gezählt und nicht wie der Tod des Leibes durch Stundenschläge abgewartet werden.

 Noch eine halbe Stunde vor dem Heimgang betete man brünstig um das Leben des Kindes, ja, ein Wunder schien dem Beter eine Kleinigkeit für den wunderreichen Gott. Nur wenn ein längeres Leben hienieden dem Kinde, seinem Vater oder andern zum Seelenunheil gedeihen würde, wollte der Beter seinen Sohn ziehen lassen. Die Antwort kam schnell. Dies Sterben war dem Sterbenden zum Seelenheile nötig, vielleicht auch seinem Vater oder einem andern. Als darum die Seele des Kindes heimgegangen war, da gieng es dem Vater wie

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 2). C. Bertelsmann, Gütersloh 1880, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_2.pdf/92&oldid=- (Version vom 1.8.2018)