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Rates zu den Elenden tritt und am Ende doch nicht befriedigt, ist den Kranken beschwerlicher als Mücken und Ungeziefer; aber wenn du sicher weißt, daß dein Rat gut ist, dann gib ihn in der Form wie er am ersten und liebsten angenommen wird, und lege deinen goldenen Apfel auf eine silberne Schale.

 Sei barmherzig, d. h. fünftens: Widme dich, so viel du kannst, dem Dienst der Elenden persönlich. Ohne persönliche Bedienung der Elenden wirst du es in keiner Erweisung der Barmherzigkeit weit bringen. Es ist das für jeden Christen gesagt, für eine Diakonissin aber heilige, unerläßliche Amtspflicht, und obendrein darf der persönliche Dienst des Elends nicht zur Erleichterung in Leichtsinn eingehüllt, auch nicht verzweifelnd gethan werden, sondern mit jener unverwüstlichen Achtung und Liebe auch gegen den in seiner Krankheit vor dem Sterben Verwesenden, welche in ihm noch immer einen Gegenstand der erlösenden Liebe Gottes sieht. Wer eher von dem Elenden weicht als Gott und seine Engel, der weicht zu früh und überdies sich zum Seelenschaden.

 Sei barmherzig, d. h. sechstens: Erlasse dir unter keinen Umständen die heilige und selige Pflicht zu geben. Es ist niemand so arm, daß er nicht etwas habe, finde oder erwerben könne, womit er andern dienen kann. Es ist allerdings die gebende Barmherzigkeit geringer, als die anderen Erweisungen derselben Tugend; aber wenn sie fehlt oder im geringen Maße vorhanden ist, verwischt sie mit einem Male die andern alle. Die Barmherzigkeit kann keine ihrer Erweisungen entbehren, ohne selbst zu kranken und zu sterben.

 Sei barmherzig, d. h. endlich siebentens: bis in den Tod. Ehe du stirbst, beschließe die Arbeit deiner Barmherzigkeit nicht.“

 Das persönliche Lebensideal der Diakonissin sah Löhe in der „gottverlobten Jungfrau“ des Altertums. Einem Geschlecht von meist noch sehr jugendlichen Diakonissen jungfräulichen Standes

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/187&oldid=- (Version vom 1.8.2018)