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Die Industrieschule.


 Die Industrieschule ist aus den bestehenden Anstaltsverhältnissen Neuendettelsaus organisch herausgewachsen und bildet ein notwendiges Zwischenglied in der Kette der dortigen Barmherzigkeitsanstalten. Die nächste Veranlassung zur Gründung derselben war die Notwendigkeit, für die im hiesigen Rettungshaus untergebrachten Mädchen, die mit der Confirmation dieser Anstalt entwachsen waren, eine weitere Fürsorge zu treffen. Man wollte diese Kinder unter der Obhut des Diakonissenhauses behalten, sie nicht gerade in den versuchlichsten Mädchenjahren in die Welt hinausschicken. Dies zu erreichen bot sich kein anderer Weg als sie zu einer selbständigen Anstalt zusammenzufassen. Ziel und Eigentümlichkeit dieser Anstalt war damit schon vorgezeichnet: es mußte der Nachdruck auf die praktische Ausbildung der Mädchen gelegt werden, denn dieselben waren arm und sollten tüchtig gemacht werden, durch ihrer Hände Arbeit bald ihr Brot zu verdienen, ja so bald als möglich auch zum Erwerb der Anstalt selbst beizutragen. So entstand am 1. Dezember 1865 die hiesige Industrieschule. Es sollte mit ihr noch ein zweiter ähnlicher Zweck erreicht werden. Der bayerische Staat hatte im Jahr 1862 mit dem Diakonissenhaus einen Vertrag geschlossen, nach welchem dasselbe jugendliche Sträflinge weiblichen Geschlechts nach ihrer Entlassung auf bestimmte Zeit in Erziehung und Pflege nehmen sollte. Freilich wurde diese Erziehungsfrist von den staatlichen Organen gar zu kurz, höchstens auf ein Jahr, bemessen – eine Zeit, die auch bei sorgsamer anstaltlicher Pflege zur Heilung und sittlichen Genesung der mehr oder minder verderbten Mädchen nicht ausreichend war. Denn wie der in der Reconvalescenz befindliche Kranke der allerbehutsamsten Pflege bedürfe, weil ein Rückfall in dieser Periode oft gefährlicher sei als der Krankheitsanfall selbst, so – meinte Löhe – müsse Vorsorge getroffen werden, diese vielleicht in der Besserung begriffenen, aber

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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/270&oldid=- (Version vom 1.8.2018)