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und zwar als Ortsgemeinde, als die zur Übertragung des Amtes berechtigte Inhaberin desselben bezeichnet. Die eigentliche Amtsübertragung besteht nach dieser Ansicht in der Wahl und Berufung eines Dieners Christi von seiten der Gemeinde, und die Ordination ist nach ihr nur publica testificatio vocationis,[1] eine Sache „menschlicher Ordnung,“ „eine von den ältesten, christlichen Zeiten her recipierte löbliche und heilsame Generalceremonie,“ die wie die Sonntagsfeier nur „um der Einigkeit und guten Ordnung willen“ beizubehalten ist. Missourischerseits konnte man sich für diese Lehraufstellungen allerdings auf Luthers Autorität berufen, sonderlich auf seine Schrift: „Grund und Ursach aus der heiligen Schrift, daß eine christliche Versammlung oder Gemeine Recht und Macht habe, alle Lehre zu urteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen“ vom Jahr 1523 und auf die andre Schrift vom gleichen Jahr: „Von Einsetzung und Ordnung der Diener der Kirchen, d. i. der Gemeine. An den ehrsamen und weisen Rat der Stadt Prage des Böhmischen Landes.“ Man übersah dabei nur, daß Luthers Vorschlag ein von der Not geborner (Löhe meinte: fast dürfe man sagen „fehlgeborner“) und für den Notstand berechneter Rat war, wie er denn selbst in der erst angeführten Schrift sagt: „Wenn unsre Bischöfe und Äbte u. s. w. an der Apostel Statt, wie sie sich rühmen, wären, wäre das wohl eine Meinung, daß man sie ließe thun, das Titus, Timotheus, Paulus und Barnabas thäten mit Priester einsetzen etc. – – Nu aber zu unsern Zeiten die Not da ist und kein Bischof nicht ist, der evangelische Prediger verschaffe, gilt hie das Exempel von Tito und Timotheo nichts, sondern man


  1. Mit Recht wandte Löhe hiegegen ein: „Wenn die Ordination nichts mehr ist als solemnis declaratio vocationis, warum kann sie dann (bei Übernahme eines neuen Berufs an einer andern Gemeinde) nicht wiederholt werden? Warum sehen dann die Installationen der Ordination ähnlich wie ein Ei dem andern?“ (Brief an Dr. Petri vom 16. Dez. 1847.)
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Johannes Deinzer: Wilhelm Löhes Leben (Band 3). C. Bertelsmann, Gütersloh 1892, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Wilhelm_L%C3%B6hes_Leben_Band_3.pdf/85&oldid=- (Version vom 1.8.2018)