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Gustav Carl Julius Berring : Die Tauerei-Schiffahrt auf der Seine

Die Tauerei-Schiffahrt auf der Seine.
Auszug aus dem Reisebericht des Regierungs- u. Bauraths Berring in Coblenz.
Geschichtliche Entwickelung der Tauerei.

Schon im vergangenen Jahrhundert wurden in Frankreich Versuche zur Einführung eines neuen, auf den Principien der Tauerei beruhenden Schiffahrtsbetriebes gemacht, ohne daß jedoch die Ergebnisse von dauernder Bedeutung gewesen wären.

Die von Tourasse und Courton bereits im Jahre 1809 auf der Rhone angestellten und 1822 auch auf die Saone übertragenen Versuche hatten dagegen einen besseren Erfolg und müssen als die Grundlage des jetzigen Tauereibetriebes angesehen werden. Man verlegte lange Taue stromauf und brachte den Train vorn mit einem Schiffe in Verbindung, welches ähnlich wie die jetzigen Tauer arbeitete.

Das hierauf ertheilte Patent wurde von de Rigny im Jahre 1825 angekauft, um auf der Seine im Stadtgebiete von Paris eine „entreprise de remorquage“ zu gründen. Auch dieses Unternehmen scheiterte, jedoch hauptsächlich nur deshalb, weil der Tauer nicht genau nach den Angaben von Tourasse gebaut worden war. Der Tiefgang des Schiffes war zu groß, die Maschine zu schwach und der Betrieb außerordentlich dadurch erschwert, daß die Winden auf dem Hintertheile des Decks sich befanden. Tourasse setzte jedoch seine Studien nur um so eifriger fort und trat unter der Mitarbeit von Mellet im Jahre 1829 mit dem Werke hervor: „Etude sur le touage ou les remorqueurs à point fixe“. Diesem Buche sind später die Werke von Bouquié (1864), Labrousse (1865), Leveillé (1867) und Buquet (1869) gefolgt. Außer diesen der Sache speciell gewidmeten größeren Werken, unter denen dasjenige von Labrousse in zweiter Auflage (1869) erschienen ist, gibt es noch verschiedene Abhandlungen über die Tauerei in den technischen Journalen, doch nicht vor dem Jahre 1862. Der Grund hierfür ist wohl der, daß bis zum Jahre 1854 die Tauerei noch vollständig in zweiter Linie stand; weniger aber ihres eigenen Wesens wegen, als infolge der äußerst mangelhaften Schiffbarkeit der Seine, der Wiege der Tauerei.

Latour du Moulin, General-Inspector der Schiffahrt, hatte zwar an Stelle der von de Rigny gegründeten und durch Mißerfolg untergegangenen Gesellschaft im Jahre 1839 abermals eine „Société pour établir le touage dans la traversée de Paris“ errichtet, deren Dienst sich auch bis Port-à-l’Anglais ausdehnte und bestehen konnte, allein erst mit dem Auftreten von Eugène Godeaux im Jahre 1854 hat die Tauerei in Frankreich Lebenskraft erhalten. Godeaux richtete zwischen der Brücke de la Tournelle und Port-à-l’Anglais regelmäßige Transportzüge ein und ergriff den Gedanken, dem Unternehmen auch außerhalb von Paris ein Feld zu eröffnen. Dies geschah. Die Regierung ertheilte damals die Concession zur Gründung von folgenden zwei Gesellschaften, nämlich:

  1. „Compagnie anonyme de touage de la basse Seine et de l’Oise“. Die Concession datirt vom 5. April 1854 und umfaßt die 72 km lange Strecke von Conflans bis zur Schleuse de la Monnaie in Paris.
  2. „Compagnie de touage de la haute Seine“. Die Concession ist unterm 13. August 1856 ertheilt und gilt für die Strecke von der Schleuse de la Monnaie bis Montereau, 106 km lang.

Nachdem sich gezeigt hatte, daß diese Gesellschaften unter der kräftigen und einsichtsvollen Leitung von Godeaux einträgliche Geschäfte machten, wurde unterm 25. Juli 1860 die Concession ertheilt zur Gründung der Gesellschaft

  1. „Compagnie de touage de Conflans à la mer“

und unterm 18. Januar 1873 desgleichen

  1. „Le touage de l’Yonne“, von Montereau bis Auxerre. Der Dienst erstreckt sich vorläufig jedoch nur bis Laroche, 93 km weit, weil die Canalisation der Yonne zwischen Laroche und Auxerre noch nicht beendet ist.

Die unter 3 bezeichnete Gesellschaft betreibt die Tauerei gegenwärtig nur noch zwischen Conflans und Rouen (171 km) und hat zwischen Rouen und Le Havre (126 km) einstweilen den Dienst ganz

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Carl Julius Berring (Rheinstrombaudirektor in Coblenz) †1920: Die Tauerei-Schifffahrt auf der Seine.. Centralblatt der Bauverwaltung, Berlin 1881, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:ZBBauverw_1881_22.pdf/1&oldid=- (Version vom 1.8.2018)