Seite:Zapolska Käthe.djvu/019

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Trotz seiner sonstigen Keckheit gegenüber den Weibern stand er vor Käthe da wie ein schüchterner Knabe und wünschte nur, irgend etwas ihr zu sagen, um wenigstens einigermaßen seinen Fehltritt wieder gut zu machen und ihr eine bessere Vorstellung von sich zu geben.

Sie aber setzte ihn vollständig wieder ins moralische Gleichgewicht und zeigte in ihren Blicken nicht die Spur von Zorn und Ärger, sondern nur sanfte Wehmut, als fühle sie, daß sie ihm nicht zürnen dürfe: Daß er sie auf der dunklen Treppe traf und sein Glück versuchte, war nicht seine Schuld. Hätten andere Mädchen sich nicht so leichtsinnig gezeigt, so wäre er gewiß ihr gegenüber nicht so dreist gewesen. Überdies war ihr ja doch nichts Schlimmes geschehen. Und mit ihrer herzerquickenden Stimme dankte sie ihm dafür, daß er sie die unbequeme Treppe hinabgeführt und ihr den Weg gezeigt habe.

„Ich kam die Vordertreppe herauf“, sagte sie, immer zu Boden blickend. „Die gnädige Frau führte uns in die Küche. Der Kontorbote ging voran und ich wußte nicht, wo ich war und was ich tun solle. Ich liebe nicht die Finsternis.“

Jetzt erst merkte Johann, daß sie sich als Dienstmädchen bei der Herrschaft im dritten Stock vermietet hatte.

„Wie, Fräulein“, fragte er, allmählich wieder zur Besinnung kommend, „Sie wollen da oben dienen bei den Magistratsleuten?“

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/019&oldid=- (Version vom 1.8.2018)