Seite:Zapolska Käthe.djvu/039

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Balken etwa eine halbe Elle über ihrem Kopfe und erfaßte das Holz. Unbewußt neigte sie sich dabei nach vorn, indem sie die Ellenbogen beugte und die Hüften etwas einzog. So stand sie ein Weilchen vor der Freundin, die ihre Klagelied über Felix und dessen unverbesserliche Faulheit immer aufs neue anstimmte.

In dieser warmen, von Stalldüften erfüllten Hofluft fühlte Käthe sich unbeschreiblich behaglich. Mit weitgeöffneten Augen und lechzenden Lippen atmete sie den frischen Heugeruch ein.

Rosas kreischende Stimme hallte in dem engen Hofraume wieder, bis sie sich im Dunkel der offenen Stallungen verlor.

Regungslos und ohne auf die Worte der Freundin zu hören, stand Käthe da, ganz versunken in den Erinnerungen, die, durch den Heuduft in ihrer Brust erweckt, sie vollständig von der Gegenwart abzogen.

Und wie dort in der Küche beim Anblicke der schneeigen Milch, trat auch hier die ganze Vergangenheit ihr vor Augen, die Mutter und die Schwestern, die Fabrikarbeit und die Reise nach der Stadt.

So vertieft in den Traum ihrer Kindheit, bemerkte sie nicht, wie ein verstecktes Pförtchen im Zaune geöffnet wurde und zwei junge Männer dort eintraten.

Sofort eilte Rosa ihnen entgegen und fragte sie unwillig: „Weshalb gehn die Herren hier durch? Das liebt die Frau Wirtin nicht. Dazu ist doch die große Pforte da!“

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Gabriela Zapolska: Käthe. Berlin o. J., Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zapolska_K%C3%A4the.djvu/039&oldid=- (Version vom 1.8.2018)